: Mikrokredite sind ein wachsendes Geschäft
PROJEKTFINANZIERUNG Beim Fairen Handel geht es ums Geld. Da liegt die Frage nah, wer zu welchen Bedingungen Vorschüsse erhält
■ Neben fairem Handel gelten auch Mikrokredite als erfolgversprechender Weg, Menschen in Entwicklungsländern die Möglichkeit zu verschaffen, sich ökonomisch erfolgreich zu betätigen.
■ Dass Bevölkerungsgruppen, die sonst vom Zugang zu formellen Banken ausgeschlossen sind, eben diesen Zugang über alternative Anbieter erhalten, gilt als notwendige Voraussetzung, um Armut wirkungsvoll zu bekämpfen.
■ Mikrokredite sind Kleinstkredite von in der Regel weniger als 1.000 Euro. Sie werden meist von spezialisierten Finanzdienstleistern und nichtstaatlichen Organisationen an Kleingewerbetreibende vergeben. Die Rückzahlung soll in sozial akzeptabler Weise erfolgen.
■ Rupert Neudeck, Gründer des Notärztekomitees Cap Anamur, forderte im Sommer 2008 die Umstellung der gesamten Entwicklungshilfe auf Mikrokredite. Damit könne in armen Ländern der Schritt aus der Abhängigkeit zur zur Selbständigkeit gelingen. LK
VON MIRKO HEINEMANN
Frieder Wöhrmann ist so etwas wie ein Balkannomade. Der Mitarbeiter der ProCredit Bank hat Filialen in Bosnien, Kosovo und Albanien mit aufgebaut. Auf die Frage, ob man mit Mikrokrediten Geld verdienen kann, reagiert er mit Verständnislosigkeit. „Genauso gut könnte man fragen: Lohnt es sich, Kleinwagen zu verkaufen?“, erwidert er. ProCredit ist spezialisiert auf die Vergabe von Kleinkrediten an lokale Unternehmer. Mit großem Erfolg: Die Holding unterhält heute 22 Banken, die vorwiegend in Osteuropa aktiv sind und zunehmend in Lateinamerika und Afrika Fuß fassen.
Seit der Friedensnobelpreis im Jahr 2005 an den Ökonomieprofessor Mohammed Yunus aus Bangladesch ging, der mit seiner Grameen Bank ein effizientes Mikrofinanzmodell entwickelte, ist das Prinzip „Micro Finance“ in aller Munde. Im entwicklungspolitischen Diskurs haben sich Mikrokredite inzwischen neben dem Konzept des Fairen Handels als zweites großes Modell der „Hilfe zur Selbsthilfe“ etabliert. Vor allem in Gegenden mit extremer Armut soll „Faires Geld“ zu Existenzgründungen motivieren und so zum Aufbau eigener Wirtschaftsstrukturen beitragen.
Neu ist die Idee allerdings nicht. In Lateinamerika wurden bereits in den 1980er Jahren im Rahmen von Entwicklungsmaßnahmen Kleinstkredite vergeben. Und das Prinzip „Raiffeisen“, das auf Solidarität und Selbsthilfe aufbaute und vor 150 Jahren in Europa entwickelt wurde, ist Basis vieler Kleinstkreditinstitutionen in Ländern des Südens.
Weltweit wird die Zahl der Mikrofinanzinstitute auf über 70.000 geschätzt. Deutsche Entwicklungshilfeorganisationen wie zum Beispiel die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) fördern seit langem bereits Mikrofinanzprojekte in den Ländern des Südens. Aber auch in Industrieländern, so auch in Deutschland, wenden sich immer mehr Institute dem Sektor der Kleinstkredite zu. Darunter sind alternative Geldinstitute wie die GLS Gemeinschaftsbank oder das Deutsche Mikrofinanz Institut (DMI).
Zudem entdecken immer mehr Großbanken, dass die Mikrofinanzierung eine wichtige Lücke besetzt, die vielerorts bisher unbeachtet blieb. Wer in Volkswirtschaften mit wenig Kapitaldeckung in die „KKMUs“ investiert, also die Kleinsten, Kleinen und Mittleren Unternehmen, hat frühzeitig Marktsegmente besetzt. Entwickelt sich der Markt, ist man ganz vorn dabei.
In dieser Branche arbeiten nicht selten Quereinsteiger, so wie Frieder Wöhrmann. Der studierte Kulturwissenschaftler ging nach Promotion und Zusatzstudium in Entwicklungsökonomie zur „Internationale Projekt Consult“ (IPC) in Frankfurt am Main. Die Beratungsgesellschaft ist auf den Bereich Mikrofinanzierung spezialisiert und bildet die Gründungszelle der ProCredit Holding. Danach hat Wöhrmann im Kosovo gelebt, in Bosnien-Herzegowina und in Albanien. Jetzt ist er Leiter der ProCredit Regional Academy in Veles, Mazedonien, und bildet Mitarbeiter der Banken von Osteuropa aus.
Begonnen hat das Engagement der ProCredit Ende der 90er Jahre in Georgien und Bosnien-Herzegowina. Kaum ein halbes Jahrzehnt später betrug das Kreditvolumen des ProCredit-Netzwerks bereits rund eine Milliarde Euro. An der Muttergesellschaft ProCredit-Holding in Frankfurt am Main ist die KfW Bankengruppe mit 16,6 Prozent beteiligt, die IPC mit 21,5 Prozent. Weitere Anteilseigner sind internationale private und öffentlich-rechtliche Institute, so wie die Doen-Foundation, die aus der niederländischen Postlotterie hervorgegangen ist.
Die meisten Kredite der ProCredit Bank Albanien, die Frieder Wöhrmann bis vor Kurzem geleitet hat, erhalten landwirtschaftliche Betriebe und Kleinunternehmer, mit Kreditvolumina von 500 Euro bis 10.000 Euro. Zwar lassen sich die Gewinne nicht mit denen anderer Geschäftsbanken vergleichen. Dafür sei die Ausfallrate mit unter 0,5 Prozent gering, so Wöhrmann. Was ProCredit nicht macht: ein neues Auto oder einen neuen Fernseher finanzieren. Dafür vergibt die Bank Wohnungsbaukredite und fördert die Verbesserung von Lebensqualität. „Unsere Mission lautet: den entstehenden Privatsektor zu entwickeln, Bankprodukte und Kredite möglichst weit in der Gesellschaft unterzubringen“, so Wöhrmann.
Auch in Deutschland können es oftmals kleine Beträge sein, die über eine Existenzgründung entscheiden. Im Jahr 2004 hat sich der Verein „Deutsche Mikrofinanz Institut“ (DMI) gegründet, um vor allem Kleinunternehmen, die aus der Arbeitslosigkeit gegründet wurden, zu unterstützen. Das DMI baut derzeit ein Netz von regionalen Organisationen auf, die Mikrofinanzierungen vergeben. Kredite soll es für Selbstständige und Gründer geben, die „hochmotiviert sind, den Kredit in jedem Fall zurückzuzahlen“ und die „persönlich überzeugen können“. Verlangt werden „alternative Sicherheiten“.
Wer keine Sicherheiten stellen kann, greift immer öfter auf sogenannte Online-Kreditvermittler zurück. Das Prinzip: Keine Bank vergibt den Kleinkredit, sondern Privatpersonen. Bei Anbietern wie smava.de oder auxmoney.com schildern Kreditbedürftige ihr Vorhaben und geben die Höhe des benötigten Darlehens an. Kreditgeber können sich für vorher bestimmte Zinssätze an der Finanzierung beteiligen oder sie ganz übernehmen.
So habe zum Beispiel der Gewerbetreibende „Jofi1974“ für den Ausbau seines Büros „problemlos“ den benötigten Betrag von 3.500 Euro erhalten. Finanziert wurde dieses Projekt von 13 Investoren, die mit 250 bis 500 Euro beteiligt waren. „Da Anleger bei Smava ein für sie interessantes Projekt fördern, erhalten sie neben einer finanziellen auch eine soziale Rendite“, erklärt Smava-Gründer Alexander Artopé.
Ein anderes Beispiel: Der freiberufliche Wirtschaftsinformatiker „MiLockner“ habe von den Geldgebern insgesamt 15.000 Euro erhalten, um dringende Steuernachzahlungen vornehmen zu können. „Bei einer Bank“, glaubt Smava, „wäre „MiLockner“ wahrscheinlich durch standardisierte Raster gefallen.“
Eine ausführliche Beratung bei einer Bank wäre vermutlich sinnvoll gewesen, damit „MiLockner“ in Zukunft seine Finanzen unter Kontrolle bringt. Dennoch: Das Prinzip, Mikrokredite im Internet abzuwickeln, wird für eine bestimmte Klientel immer attraktiver. Seit Januar 2009 gibt es bereits einen eigenständigen polnischen Ableger von Smava. Hier sieht man sich schon auf dem Weg zum weltweit führenden Anbieter von Online-Krediten „von Mensch zu Mensch“.