„Ein Film in einer jazzartigen Form“

Der Hamburger Regisseur Kai Wessel hat die Jazz-Stars Eugen und Roger Cicero porträtiert

Foto: Ursula Düren/dpa

Kai Wessel

60, Regisseur, bekannt durch fiktionale, preisgekrönte zeithistorische Produktionen wie „Die Flucht“ und Serien wie „Klemperer – ein Leben in Deutschland“ und „Zeit der Helden“.

Interview Wilfried Hippen

taz: Herr Wessel, wie kam es dazu, dass Sie mit dem Doppelporträt der Jazzer Eugen und Roger Cicero Ihren ersten Dokumentarfilm gemacht haben?

Kai Wessel: Roger Cicero hatte bei einem meiner Spielfilme in einer Nebenrolle mitgespielt, und daher kannte ich ihn. Das Projekt wurde ursprünglich von einem rumänischen Dokumentarfilmer geplant, weil Eugen Cicero ja aus Rumänien stammte. Aber als es dann immer größer wurde, ist er ausgestiegen und die Produzentin Katharina Rinderle hat mich gefragt, ob ich es übernehmen wollte.

Ist der Wechsel von der Fiktion zur Dokumentation nicht sehr ungewöhnlich?

Ich finde es reizvoll, etwas Neues auszuprobieren. Aber ich hatte auch einen Mordsrespekt davor, das Genre zu wechseln.

Irgendwie ist Dokumentarfilmemachen wie Jazzmusik spielen. Reich wird man damit nicht.

Nein, das ist auch eine brotlose Kunst. Das Budget ist sehr spärlich und man braucht viele verschiedene Finanziers. Bei uns ging es auch nur, weil wir in den Lücken zwischen den Dreharbeiten von anderen Filmen an „Cicero“ gearbeitet haben. So konnten wir uns den Luxus einer langen Produktionszeit leisten.

Wie lange?

Vier Jahre, in denen wir weit über 50 Interviews mit nahen Freunden und Wegbegleitern der beiden gemacht haben, von denen einige mehr als dreieinhalb Stunden gedauert haben.

Mit fast zwei Stunden ist „Cicero“ ziemlich lang geworden. Warum haben Sie sich auch da die Zeit genommen?

Es wird ja immerhin von zwei Künstlern und ihren Karrieren erzählt.Und wir wollten auch deutlich machen, wie Musik entsteht und welchen Einfluss das Marketing dabei hat.

„Cicero – zwei Leben eine Bühne“. Deutschland 2021, 113 Minuten, R: Kai Wessel. Der Film läuft in Hannover, Hamburg, Kiel, Lüneburg, Oldenburg und Osnabrück in den Programmkinos

Spannend sind die Parallelen zwischen den Karrieren. Beide sind ja kommerziell geworden …

Ich glaube nicht, dass sie sich verkauft haben. Aber Eugen ist in den 1960er-Jahren sehr wohlhabend geworden. Und für Roger war es mit seinem deutschen Bigbandjazz wichtig, dass er damit mehr Leuten seine Musik schenken konnte als den 120 Besucher*innen, die in einen Jazzclub passen.

Und warum haben Sie sich entschieden, nicht chronologisch zu erzählen, sondern zwischen ihren Protagonisten und auch den Zeiten zu wechseln?

Für diese Struktur, nicht linear zu erzählen, sondern Lebensphasen in den Fokus zu nehmen, habe ich mich sehr früh entschieden. Wenn man einen Film über zwei Jazzmusiker macht, sollte man dies auch in einer jazzartigen Form machen, also nicht von A nach B vom Blatt spielen. Im Jazz nimmt man stattdessen ein Thema wie „All of Me“, das schon tausendmal interpretiert wurde, und versucht damit zu spielen, So ähnlich war auch mein Ansatz.