: Warnschuss aus dem Iran
Raketen schlagen im Nordirak neben dem US-Konsulat im kurdischen Erbil ein. Das eigentliche Ziel war aber wohl die israelisch-amerikanische Kooperation im Nahen Osten
![](https://taz.de/private/picture/5838570/516/1136819.jpg)
Von Karim El-Gawhary (Kairo) und Stefan Schaaf (Berlin)
In der kurdischen Stadt Erbil im Norden des Irak sind in der Nacht zu Sonntag mehrere iranische Raketen eingeschlagen. Am Sonntagmittag bekannten sich die iranischen Revolutionsgarden zu dem Angriff. Zunächst wurde nur gemeldet, dass „Raketen von außerhalb der Grenzen des Iraks und Kurdistans abgefeuert wurden“. Später hieß es aus kurdischen und US-amerikanischen Quellen, mindestens ein Dutzend Raketen seien vom Iran aus abgefeuert worden. Dabei seien zwei Menschen leicht verletzt worden.
Laut Angaben aus irakischen Sicherheitskreisen seien sechs Raketen in unmittelbarer Nähe des sich noch im Bau befindlichen und nicht bezogenen US-Konsulats in Erbil niedergegangen. Erbil ist die Hauptstadt und zugleich auch der Sitz der Regierung der halbautonomen Region Kurdistan im Irak. Ein Sprecher des US-Außenministeriums bezeichnete das Ganze als einen „ungeheuerlichen Angriff“. Es habe keinen Sachschaden am Konsulat selbst gegeben. Das neue US-Konsulat liegt auf einem großen abgeriegelten Areal mit Wohnhäusern, Geschäften und einem Hotel. Es soll im Laufe dieses Jahres eröffnet werden.
Auf Twitter kursiert aber das Video einer Überwachungskamera in einem Fernsehstudio des irakisch-kurdischen Senders Kurdistan24, das sich neben dem neuen Konsulatsareal befindet. Im Moment der Druckwelle, die durch mehrere unmittelbar aufeinander folgende Explosionen ausgelöst worden war, zersplitterte dort Glas. Abdeckplatten fielen von der Decke. Das Studio war zu diesem Zeitpunkt nicht besetzt.
Proiranische Quellen im Irak und im Iran nennen ein anderes Ziel, das sich auf dem Gelände des US-Konsulats befinden solle: Es gebe dort zwei geheime Basen des israelischen Geheimdienstes Mossad. Solche Angaben können nicht unabhängig verifiziert werden. Der Iran hat wiederholt dem US-Geheimdienst CIA vorgeworfen, im Irak eng mit dem Mossad zu kooperieren. Das staatliche iranische Fernsehen sprach jetzt gar vom „zionistischen Regime in Erbil“.
Eine amtliche irakische Quelle gibt an, dass die im Iran produzierten Raketen vom Typ Fateh-110m wahrscheinlich die Antwort auf einen israelischen Luftangriff in Syrien vom Montag gewesen seien. Dabei waren zwei Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden ums Leben gekommen. Die Revolutionsgarden hatten vor ein paar Tagen geschworen, diesen Angriff zu rächen. Stimmt das, dann wären diese beiden letzten Vorfälle Teil eines iranisch-israelischen Schlagabtauschs, den Israel in Syrien und der Iran im Irak austrägt.
Der Raketenbeschuss fällt mit regionalen Spannungen zusammen. Die Verhandlungen in Wien über das in die Brüche gegangene Atomabkommen mit Teheran sind wegen russischer Forderungen nach Aufhebung der Sanktionen wegen seines Krieges in der Ukraine ins Stocken geraten. Der Deal, über dessen Wiederbelebung seit Monaten verhandelt wird, hatte zuvor fast als unterschriftsreif gegolten.
In der Zwischenzeit setzte der Iran auch seine in Bagdad vermittelten Geheimgespräche aus. Die zielen darauf ab, die jahrelangen Spannungen mit dem regionalen Rivalen Saudi-Arabien zu entschärfen, die vor allem im Jemen ausgetragen werden.
Klar ist aber auch, dass die USA den Raketenbeschuss jetzt nicht allzu hoch hängen möchten. Darum wurde betont, dass es keinen Sachschaden am Konsulargebäude gegeben habe. Offensichtlich ist die derzeit stark vom Krieg in der Ukraine in Anspruch genommene US-Regierung jetzt nicht daran interessiert, neue Spannungen mit dem Iran zu schüren.
Die auf dem Flughafengelände von Erbil stationierten US-Streitkräfte sind in der Vergangenheit mehrfach durch Raketen- und Drohnenangriffe unter Beschuss geraten. Dafür haben US-Regierungsvertreter vom Iran unterstützte Gruppen verantwortlich gemacht. Die starke US-Präsenz im Irak wird in Teheran mit Argwohn beobachtet.
Gleichzeitig stößt die iranische Einmischung im Irak auf immer mehr Widerstand. Bei den Wahlen im vergangenen Jahr büßten proiranische Kräfte viele Stimmen ein. Der schiitische Geistliche Muktada al-Sadr hat den Raketenangriff verurteilt. Er ist mit der größten Parlamentsfraktion an der Bildung einer neuen Regierung beteiligt.
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