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„Mystisch, ambivalent, androgyn“

Ein Liederabend widmet sich der vielschichtigen Kunstfigur der Mignon

Jale Papila, Konzert- und Opernsängerin, gestaltet mit Pianist Franck-Thomas Link den Liederabend über Mignon.

Interview Andreas Schnell

taz: Frau Papila, Herr Link, wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Liederabend zur Romanfigur Mignon zu machen?­

Franck-Thomas Link: Bei der Programmplanung habe ich mich nach Jahrestagen umgesehen und bin dabei auf Goethes 190. Todesjahr gestoßen. Das ist kein großes Jubiläum, aber ein guter Anlass.

Jale Papila: Zu Mignon wollten wir schon lange mal etwas machen.

Sie kündigen gleich „ein Dutzend Mignons“ an. Warum so viele?

Papila: Es gibt sogar noch mehr. Schubert hat allein schon acht Lieder zum Thema geschrieben, Beethoven, Reichardt,­ Liszt haben Mignon-­Lieder komponiert, Ambroise Thomas­ hat sogar eine Oper aus dem Stoff gemacht. Nur unser Lieblings­komponist Brahms hat leider nichts dazu geschrieben.

Link: Kaum etwas ist so oft vertont worden wie das Gedicht „Kennst du das Land, wo die Zitro­nen blühn“ aus „Wilhelm­ Meisters Lehrjahre“. Die Figuren des Romans sind wahrscheinlich spannender als der Roman selbst.

Papila: Ich musste die „Lehrjahre“ im Studium lesen, hab ihn aber nicht zu Ende geschafft, weil ich ihn so langweilig fand. Mignon fand ich aber spannend, deshalb habe ich alle Passagen gelesen, die mit ihr zu tun ­haben.

Was macht diese Figur für Sie so reizvoll?

Papila: Sie ist mystisch, ambivalent, androgyn. Das passt sehr gut zu meinem Stimmfach, dem Alt. Es ist sehr spannend, wie die unterschiedlichen Komponisten damit umgehen. Bei Reichardt ist Mignon eher kindlich, bei Schubert ist sie ein Mädchen, bei Schumann ist sie sehr fragil.

Link: Und definitiv älter als bei Schubert. Bei Hugo Wolf ist sie eine erwachsene Frau.

Der Psychoanalytiker Sigmund Freud hat Mignon als Missbrauchsopfer gedeutet.

Link: Sie wird zumindest von der Zirkustruppe misshandelt, von der sie als Kind geraubt wird. In der Renaissance steht Mignon für eine Art Freundesersatz von Königen und hat durchaus eine homoerotische Komponente.

Papila: Sie entstammt einer inzestuösen Verbindung. Der Name ist auch interessant: Mignon­ ist im Französischen die männliche Form, eigentlich müsste sie Mignonne heißen. Als Wilhelm Meister Mignon zum ersten Mal sieht, weiß er auch nicht, ob es sich um einen­ Jungen oder ein Mädchen ­handelt.

Erfährt das Publikum auch etwas über die komplexen Hintergründe der Figur Mignon – oder ist es doch eher ein klassischer Liederabend?

Link: Aus dem Thema ließe sich ein richtig großer Abend machen. Die Feierabendkonzerte sind meist nur etwa eine Stunde lang. Aber es gibt nicht nur Lieder, sondern es wird auch etwas über die Figur erzählt.

23.2, 18 Uhr, Halle 424 im Oberhafen, Hamburg

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