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Frauen in die erste Reihe

In Mali sind Frauen den Männern traditionell untergeordnet. Doch sie wehren sich erfolgreich gegen überkommene Rollenbilder

Illustration: Lomedy Mhako

Aus Bamako, MaliArahan dite Simone Dakouo

In Malis verbreitetster Sprache Bambara gibt es ein Sprichwort: „Mussoya yé mougnou ni sabali yé“, – „Frau sein heißt ertragen und vergeben“. Der Ausspruch habe den Frauen „viel Schaden zugefügt“, schreibt die malische Feministin Nana Alassane Touré. Die Unterdrü­ckung beginne dort, „wo das Bemühen um Vergebung einseitig ist und nur die Frau in der Position ist, zu verzichten“. Und so seien Frauen in ihrem Land zwar auf dem Vormarsch, doch viele blieben „den Männern untergeordnet, weil es die Erziehung und die Sitten so wollen“.

Der Ort, den die malische Gesellschaft den Frauen zuschreibt, war lange Zeit stets derselbe: der Haushalt. Doch dieses feste Gefüge ist ins Rutschen gekommen – und das in einem Land, das seit Jahren unter heftigen Angriffen dschihadistischer Gruppen leidet, deren Agenda auch darin besteht, Frauen zu entrechten. Tatsächlich drängen diese heute mit Nachdruck in Bereiche, die früher den Männern vorbehalten waren – und kommen dabei auch in Entscheidungspositionen an.

So wie Touré. Sie stammt aus dem Norden Malis, den die Islamisten 2012 vorübergehend unter ihre Kontrolle brachten. Touré studierte in Bamako, Genf und an der Columbia University. Heute forscht die Soziologin zu Themen wie Frieden und Extremismus. Nachdem die Regierung 2015 einen Friedensvertrag mit den islamischen Rebellen unterzeichnete, seien zwar Sozialprogramme aufgelegt worden. „Doch keine dieser Maßnahmen geht auf die Bedürfnisse junger Frauen ein“, klagt Touré.

So sind diese oft weiter auf sich gestellt, wenn sie vorankommen wollen – wie etwa Nonsondi Baté. Die 33-jährige Unternehmerin betreibt heute eine Kette von vier Autowerkstätten in Bamako und hat etwa 30 Angestellte. Möglich war dies nur, weil sie die erste LKW-Fahrerin Malis wurde. Wie die meisten Mädchen in Mali geht sie nicht zur Schule und wird im Alter von 16 Jahren ohne ihr Einverständnis verheiratet. Doch Baté lässt sich wieder scheiden. Sie kann weder lesen noch schreiben als sie beschließt, Mechanikerin zu werden.

Zwei Jahre besucht sie eine Schule für Mechanik in Bamako – als einzige Frau. Dann macht sie einen LKW-Führerschein, wird bei einer Spedition in ihrer Heimatstadt Kayes ange­stellt. In einer grünen Uniform sitzt sie fortan am Steuer eines 10-Tonnen-Kleinlasters. Jede Woche fährt sie fast tausend Kilometer nach Mauretanien. 2012 wird sie Werkstattleiterin bei einer anderen Spedition. 2015 schließlich kündigt sie und eröffnet ihre eigene Werkstatt.Baté heiratet erneut – einen LKW-Fahrer. „Wenn eine Frau ihre Arbeit liebt und dabei die Unterstützung von Familie, Freunden und Kollegen hat, kann sie diese auch mit dem Familienleben vereinbaren“, sagt sie. Sie wolle „so viele Frauen wie möglich ermutigen“, ihren Beruf auszuüben. „Das ist nicht nur etwas für Männer.“

Das gilt auch für die Politik – obwohl Frauen dort in Mali stark unterrepräsentiert sind. Eine Ausnahme ist die Sozialwissenschaftlerin Aminata Dramane Traoré, die als Globalisierungs­kritikerin international bekannt wurde. Die heute 74-Jährige war von 1997 bis 2000 Mi­nisterin für Kultur und Tourismus. Traoré ist ein Vorbild für eine junge Generation von Politikerinnen in Mali. „Sie hat mich enorm inspiriert“, sagt Louise Diarra, eine junge Aktivistin aus Bamako.

Biographien wie jene von Aminata Traoré, Nana Touré und Nonsondi Baté geben der ma­lischen Gesellschaft wichtige Impulse. Sie bie­ten jungen Frauen Orientierung und ebnen ihnen den Weg, um die Stellung der Frauen in der Gesellschaft zu verändern.

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