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wortwechselZwischen Farce und Foul: Der olympische Seiltanz

Sport und Politik sollten säuberlich getrennt werden, sagen Funktionäre – aus Sport und Politik. Menschenrechtsverbrechen zählen nicht beim Geldscheffeln? Kommt drauf an, wo

Beijing 2022. Ganz normale Winterspiele mit friedlichen Polizisten und knuffigen Maskottchen? Foto: Andy Wong/ap

„Die Welt zu Gast bei Verbrechern: Die Olympischen Winterspiele in Beijing haben begonnen. Um ein freundliches Gesicht, wie 2008, ist die Stadt längst nicht mehr bemüht. Drinnen ungenierte Totalüberwachung – draußen leiden Menschen in Lagern“, taz vom 5. 2. 22

Verbrecher? Wir auch!

Soso, „zu Gast bei Verbrechern“? Ich hätte in meinen Jahrzehnten als taz-Abonnent gerne mal gelesen: „Zu Hause bei Verbrechern.“ Bei denen nämlich, die – Europäer, nicht Chinesen – Zehntausende flüchtlingspolitisch korrekt im Mittelmeer haben ersaufen lassen; die für die Qualen Zehntausender in marokkanischen EU-Außenlagern, in Flüchtlingslagern in Griechenland und anderswo verantwortlich sind. Kein Satz wie „Deutsche Skispringer bei polnischen Verbrechern zu Gast“, als diese zum Weltcup nach Zakopane reisten, während zeitgleich noch tausend Geflüchtete an der polnischen Grenze ausharrten, von denen mindestens 19 gestorben sind, die meisten erfroren, durch einen noch höheren Zaun abgewehrt oder von polnischen Polizisten zurückgeprügelt, wenn doch die Überwindung des Nato-Draht-Zaunes – so heißt dieser spezielle Stacheldraht – gelang. Habe ich überlesen, dass die Berichterstattung über die Tour de France mit den Qualen der in Calais ausharrenden Flüchtlinge in Verbindung gebracht wurde? Oder ein Reisebericht über das antike Griechenland mit den hungernden Kindern in Samos oder Lesbos oder oder oder …

Günter Rexilius, Mönchengladbach

First-Class-Funktionäre

Das ist ein tolles Titelbild, das alles aussagt. Strahlend im Zentrum Thomas Bach, der mit seinen Knebelverträgen dafür verantwortlich ist, dass kein demokratisch gewählter Politiker derartige Verträge unterschreiben sollte, wie schon Herr Ude in München erkannt hat. Bach geht es nicht um die Sportler, sondern darum, dass sich die Funktionäre die Taschen füllen können. Positiv getestete Sportler werden unter erbärmlichen Bedingungen untergebracht! – gilt die gleiche Regelung auch für positiv getestete Funktionäre? Oder haben die Anspruch auf ein „First Class“-Hotel? Dieter Fries, Hamburg

Blanker Nationalismus

Wo immer Olympische Spiele stattfinden, sie sind, wie „Weltmeisterschaften“ aller Art, Veranstaltungen von blankem Nationalismus, der „Medaillenspiegel“ ist immer national sortiert. Natürlich kann man fordern, nur in politisch korrekten Ländern anzutreten. Aber dann bitte immer, überall und alle. Also auch afrikanische Sportler akzeptieren, die nicht in Europa starten möchten, weil sie sich daran stören, dass dessen ehemals kolonialistische Länder die historische Ausbeutung heute mit subtileren Methoden fortsetzen und außerdem flüchtende Landsleute im Mittelmeer ertrinken lassen. Das würde nicht nur unseren penetranten Eurozentrismus überwinden, sondern auch dazu führen, dass man bald keinen weltweiten Konsens mehr über „würdige“ Schauplätze finden könnte, und der ganze „Wanderzirkus“ würde in sich zusammenbrechen, zum Wohle der Umwelt.

Rolf Oesterlein, Nieder-Olm

Die anderen Bösewichte

Die Schlagzeile „Die Welt zu Gast bei Verbrechern“ empfinde ich als üble Beleidigung meiner chinesischen Freunde. Seit zwei Jahrzehnten schaue ich mir nun schon an, wie die Wahrheit über China von westlichen Medien ständig entstellt wird. China ist ein wunderbares Land mit liebenswerten, fröhlichen, hilfsbereiten und gastfreundlichen Menschen. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich war seit 2002 bereits 15 Mal im Reich der Mitte zu privaten und persönlichen Besuchen in zahlreichen Familien. Meine chinesischen Freunde fragen mich oft: „Warum berichtet die deutsche Presse so schlecht über China?“ Was soll ich dazu sagen? Weil wir dumm sind, weil wir manipuliert werden, weil wir andere Bösewichte brauchen, um unsere eigenen Missstände zu vertuschen? B.J. Antony, Lohra

„Olympische Spiele in China: Die zerplatzte Illusion. Während der Olympischen Spiele von 2008 wollte die Welt glauben, China würde sich liberalisieren. Das war ein fataler Irrtum“,

taz vom 5. 2. 22

Nicht eine Flocke Schnee

Es wird Zeit, dass man den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gesetzlich verbietet, in diesem aktuellen Umfang über Profisport zu berichten. Insbesondere Wintersport aus Gegenden, in denen nicht eine Flocke Schnee zu finden ist. All die kritischen Berichte und Kommentare aus China sind nur ein Feigenblatt, wenn in Kommentaren Sätze wie „wir berichten aus Freude am Sport“ fallen. Man erzählt stolz, dass westliche Staatschefs der Eröffnungsfeier ferngeblieben sind, ist aber selbst mit einigen Hundert Angestellten vor Ort und gibt Millionen für Lizenzen aus. Die letztlich dazu beitragen, genau das zu ermöglichen, was an anderer Stelle an den Pranger gestellt wird. Wer Profisport gucken will, soll das auf einem der vielen Sportsender machen.

Marten de Trieste auf taz.de

@Marten de Trieste Ich kann Ihren Frust zwar verstehen, aber die Öffentlich-Rechtlichen würden die Olympischen Spiele nicht ausstrahlen, wenn es keiner guckt. Ich denke, Sie überschätzen etwas, wie viele Menschen sich in Deutschland mit solchen politischen Problemen ernsthaft auseinandersetzen. Shasu auf taz.de

Zurück zum Ursprung?

Jeder und jede mit gesundem Geist kann sich über die Verbrechen an den Tibeter*innen, Ui­gu­r*in­nen und Ak­ti­vis­t*in­nen der Demokratiebewegung informieren. Und welches Sport­le­r*in­nen­herz ist dabei nicht beschämt und möchte lieber für Anklage und den Appell zur Befreiung schlagen? Kann es da eine andere Konsequenz als den Boykott geben? Wie wäre es, künftig die Olympischen Spiele stets an ein und demselben Ort auszutragen? Fernab von Lobbyistengeschacher und Sponsorengeilheit? Zurück zu den Ursprüngen! Johann Voß, Wefensleben

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