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berliner szenenLiebesküsse beim Platten­hören

Der Hund heißt Lulu, so steht es auf der Marke an seinem Hals. Lulu guckt mir in die Augen und bewegt eine Augenbraue nach unten, die andere nach oben. „Er hat sich in dich verliebt“, sagt die Freundin, mit der ich verabredet bin. Ich glaube, dass er die Schokolade in meiner Fahrradtasche riecht und hofft, dass er etwas davon abkriegt.

Lulu ist groß, pelzig und flauschig wie ein Bär. Alle in der Neuköllner Weinstube drehen sich zum Hund, als er den Laden betritt wie eine Bestie und rumflattert wie ein Schmetterling, ohne etwas kaputtzumachen. Sein punkig aussehendes Herrchen kommt hinterher und umarmt den Ladenbesitzer. Er scheint gerade aus einem Mad-Max-Auto ausgestiegen zu sein. Jetzt gilt ihm die meiste Aufmerksamkeit.

Wir hatten aus Spaß den Leuten an den Tischen Namen gegeben, als wären sie Be­woh­ne­r*in­nen verschiedener Welten eines Fantasy-Romans. Es gibt „die Holzfäller“ (drei blonde Männer mit karierten Hemden), „die DJs“ (eine Gruppe japanisch sprechender Tourist*innen), „die Party-Girls“ (laut und in Leder-Outfit) und zwei Pärchen, die wir „die Verliebten“ und „die Verpeilten“ nennen. Beim ersten Paar redet der Mann ununterbrochen. Sie guckt ihn mit roten Wangen an und hört zu, bis sie plötzlich aufsteht und geht. Bei den Verpeilten passiert nicht viel. Sie sitzen an der Fensterbank und trinken. Sie tragen lockere Klamotten, als hätten sie den Tag auf der Couch verbracht. Später sehe ich die Verliebten auf dem Weg zur Toilette wieder. Sie hören Schallplatten und küssen sich. Die Holzfäller schmeißen Gläser um, die Party-Girls machen Selfies, Lulu beißt beinahe eine der DJs und sucht mit dem Blick nach meiner Tasche.

„Es ist wie in einem Film, oder?“, fragt die Freundin und wir bestellen noch eine Runde Weißwein.

Luciana Ferrando

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