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„Mein Vater hat die Spiele immer erst in der Familie getestet“

Klaus Teuber ist der Erfinder von „Die Siedler von Catan“, und auch sein Sohn Benjamin ist Spieleautor. Ein Gespräch mit Vater und Sohn über Glück und Strategie, Belohnung und Bestrafung und den Geist, der in der Spielschachtel wohnt

Foto: Sarah Brüschke

Klaus Teuber,

69, entwarf sein erstes Spiel 1988. Sieben Jahre später erfand er „Die Siedler von Catan“. Das Spiel gilt als zweiterfolgreichstes nach „Monopoly“.

Interview Daniel Böldt

taz am wochenende: Klaus Teuber, Sie haben mit „CATAN“ (ehemals „Die Siedler von Catan“) eines der weltweit erfolgreichsten Brettspiele der Welt erfunden. Benjamin Teuber, Sie haben die Entwicklung des Spiels als Kind gewissermaßen live begleitet und sind heute selbst Spieleautor. Was macht aus Ihrer Sicht ein gutes Gesellschaftsspiel aus?

Klaus Teuber: Für mich ist das Erlebnis sehr wichtig. Wenn man die Spielschachtel aufmacht, muss da ein Geist drin wohnen, der die Köpfe bannt und einen ins Spiel hineinzieht. Wenn das geschieht, wenn ein Spiel fasziniert, dann ist ein Spiel gut. Mit welchen Mitteln das gelingt, ist erst mal zweitrangig.

Benjamin Teuber: Für mich ist ein Spiel dann gut, wenn man sich nicht ablenken lässt. Einer der wichtigsten Indikatoren in der Entwicklung eines neuen Spiels für uns ist, ob die Leute irgendwann ihr Handy rausholen. Dann weiß man: Das fesselt noch nicht so ganz. Wichtig ist für mich auch ein richtiges Maß zwischen Glück und Strategie. Das hat den schönen Nebeneffekt, dass der Gewinner sich auf sein Können und der Verlierer auf sein Pech berufen kann. Ansonsten sind Spiele aber natürlich wie so vieles vor allem Geschmackssache.

Klaus Teuber, Sie sprachen gerade vom Geist eines Spiels. Wie wichtig ist die Ästhetik, die äußere Gestaltung eines Spiels?

Klaus Teuber: Die spielt natürlich eine große Rolle. Man muss sich gerade bei thematischen Spielen in eine Rolle hineinversetzen können und das ist einfacher, wenn die Atmosphäre des Spiels einen dabei unterstützt. Das ist so ähnlich wie beim Essen. Das kann noch so gut sein, von einem dreckigen Teller wollen Sie es trotzdem nicht essen. Nur wenn das Spiel an sich nichts taugt, nützt auch die beste Illustration oder Grafik nichts.

Wie wird man überhaupt zum Spiele­entwickler? Das ist jetzt nicht der klassische Ausbildungsberuf.

Klaus Teuber:Nein, das kann man auch nicht planen. Man wächst dort quasi hinein. Was man auf jeden Fall braucht, ist Leidenschaft und Liebe für Spiele. Bei mir war das Entwickeln von Spielen anfangs vor allem ein Ausgleich, eine Zuflucht. Ich bin gelernter Zahntechniker und habe in den 80er Jahren das Labor meines Vaters übernommen. Eine sehr stressige Zeit, durch die Gesundheitsreformen hatten wir immer weniger Aufträge und mussten Mitarbeiter entlassen. Über einen Fantasy-Roman bin ich dann irgendwann auf die Idee für mein erstes Spiel gekommen. Ich wollte diese Welt, die mich so fasziniert hat, spielerisch erlebbar machen. So entstand mein erstes Spiel: „Barbarossa, die Rätselmeister“.

Benjamin Teuber:Bei mir ist es wohl etwas näher dran an einer Art „Ausbildung“, auch wenn das viel mit meiner Kindheit zu tun hat. Ich habe schon früher mein Taschengeld aufgebessert, indem ich Spielfiguren-Prototypen für meinen Vater gebastelt habe. Mitgespielt habe ich selbstverständlich auch viel. Da bekommt man implizit bereits eine Menge davon mit, wie ein Spiel entsteht. Später habe ich Psychologie und Management studiert, gar nicht unbedingt mit dem Ziel, später als Spieleautor zu arbeiten. Aber als mein Vater sich mit seiner Catan GmbH selbstständig gemacht hat, war für mich schnell klar, dass ich mich damit sehr gut identifizieren kann.

Klaus Teuber:Ich bekomme immer wieder Briefe von Menschen, die mir schreiben, sie wollen auch so erfolgreich sein und mit Spielen Geld verdienen. Aber das ist einfach nicht der richtige Weg. Man muss das erst mal wollen, egal ob es später Geld abwirft oder nicht. Und dann muss man Glück haben. Leben kann man vom Spieleentwickeln nur im Ausnahmefall, aber die Wahrscheinlichkeit steigt, je mehr Leidenschaft dabei ist.

Wie kann man sich das praktisch vorstellen? Wie entwickeln Sie ein neues Spiel?

Klaus Teuber: Am Anfang steht immer eine Idee, eine Welt, die man darstellen will. Die Inspiration dafür kommt bei mir meistens durch das ­Lesen. Wenn Benjamin und ich zusammen ein Spiel entwickeln, dann schreibt einer das Konzept, in dem ein möglicher Spielablauf skizziert wird. Da geht man dann nicht technisch vor, sondern rein intuitiv. Oft ergeben sich gewisse Abläufe einfach schon aus der Welt, die man darstellen will. Der andere schaut sich das Konzept dann an, guckt nach Widersprüchen oder nach Stellen, an denen es vielleicht zu lange dauert. Das geht dann meist ein paarmal hin und her. Wenn wir glauben, das Konzept ist gut, dann basteln wir einen Prototyp und dann wird gespielt.

Benjamin Teuber: Ein paar allgemeine Dinge kann man schon benennen. Wir wissen zum Beispiel, dass die Leute lieber eine Belohnung als eine Bestrafung wollen. Meistens ist das ja nur ein Verrücken der Skala. Ich kann entweder allen außer einem etwas wegnehmen oder ich gebe einem ganz viel und den anderen entsprechend weniger. Das ist für das Spiel fast das Gleiche, macht aber für die Spieler einen Unterschied.

Klaus Teuber: Die Lebenserfahrung spielt auch eine wichtige Rolle. Es ist kein Zufall, dass es meistens mehr ältere, erfolgreiche Spieleautoren gibt als jüngere. Als ich „Die Siedler von Catan“ entwickelt habe, war ich schon über 40, ich glaube, vorher hätte ich das auch nicht gekonnt.

„Die Siedler von Catan“ kam 1995 heraus und hat sich bisher über 35 Millionen Mal verkauft. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Klaus Teuber:Die Inspiration kam auch wieder durch Bücher. Ich hatte sehr viel über die Wikinger und deren Entdeckungsreisen gelesen. So kam ich eben auf den ersten Ansatz eines Entdeckungs- und Besiedelungsspiels. Das war am Anfang ein riesiges Konzept mit viel zu vielen Regeln. Ich habe das auch nie gespielt, weil ich wusste, dass man das keinem zumuten kann. Dann habe ich das Konzept auf zwei Spiele aufgeteilt. Das eine wurde dann zu „Entdecker“ und das andere zu „CATAN“. Manchmal habe ich das Gefühl, das Spiel ist ein bisschen vom Himmel gefallen. Ich musste an dem ersten Prototyp nicht mehr viel ändern.

Foto: Sarah Brüschke

Benjamin Teuber,

37, gründete mit seinem Vater Klaus Teuber 2012 die Catan GmbH, um u. a. die Catan-Spiele zu vermarkten.

Wie war das bei ­Ihnen, Benjamin Teuber? Können Sie sich noch an die Anfänge erinnern?

Benjamin Teuber: Ja, das ist eines der Spiele, an deren Entwicklung ich mich noch recht gut erinnern kann. Mein Vater hat die Spiele ja immer erst in der Familie getestet. Ich war damals neun Jahre alt und fand die Ressourcen des Prototyps so schön gemalt, dass ich die lieber gesammelt habe, obwohl man sie ja ausgeben sollte. Aber ich habe mich dann langsam rangetastet und hatte auch bald viel Spaß daran.

Haben Sie mit dem Erfolg gerechnet?

Klaus Teuber: Nicht in der Größenordnung. Das Spiel wurde zum Spiel des Jahres gewählt, dann wusste man immerhin, dass es sich im ersten Jahr sehr gut verkaufen wird. Danach geht es dann aber meist beständig runter. Bei „CATAN“ trat genau das Gegenteil ein, die Zahlen stiegen von Jahr zu Jahr. Das war auch für mich eine ganz neue Erfahrung. Erst da wurde mir dann bewusst, dass es offensichtlich ein besonderes Spiel ist.

Stimmt es eigentlich, dass das Spiel zuvor zwei Verlage abgelehnt haben?

Klaus Teuber: Ja, ich hatte das damals während der Spielemesse zwei großen Spielverlagen angeboten, die aber gesagt haben, das Spiel wäre zu langweilig und man könne es schlecht in einer Fernsehwerbung inszenieren. Das war damals sehr wichtig für die Vermarktung. Schließlich habe ich mich mit Kosmos geeinigt, die die Spielsparte damals eigentlich schließen wollten. Heute sind sie einer der führenden Verlage in der Branche.

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