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Die Evolution erreicht Vorpommern

Judith Schalanskys „Der Hals der Giraffe“ kommt in Hamburg (und online) auf die Bühne

Wunderbar grausame Figur: Julia Weden als Unge Lohmark Foto: G2 Baraniak/Monsun Theater

Von Alexander Diehl

„Sie sehen, niemand – kein Tier, kein Mensch – kann ganz für sich allein existieren.“ Diesen Satz sagt, beinahe ganz zu Beginn, Inge Lohmark. Im Deutschunterrricht wäre so viel Programmatik, so prominent, kaum einfach durchgewunken worden: Nein, so was muss doch wichtig sein!

Um Allein- und Zusammensein, um einsam geführte Kämpfe und das Sich-Verlassen aufs Kollektiv geht es dann ja auch in Judith Schalanskys Roman „Der Hals der Giraffe“, 2011 erschienen; auch ums Überleben-oder-eben-nicht, um die Anpassung an sich ändernde Bedingungen. Sie ist immerhin Biologielehrerin, diese Inge Lohmark, an einem vorpommerschen Gymnasium, das auch noch nach Charles Darwin benannt ist– aber demnächst eh abgewickelt werden soll.

Die Lehrerin, in deren Namen nun ausgerechnet der Darwin-Rivale Jean-Baptiste de Lamarck anklingt – wieder so was für den Deutschunterricht –, sie ist des Neuen müde, dieser Eindruck stellt sich schnell und umfassend ein. „Eine wunderbar-grausame und mindestens ebenso bemitleidenswerte und anrührende Figur“ habe Schalansky da geschaffen, befand die taz. Und darf es in einem Bildungsroman um eine gehen, die jedem Bildungsoptimismus misstraut? Muss es das vielleicht sogar?

Der Hals der Giraffe. Premiere: Do, 6. 1., 20 Uhr, Hamburg, Westwerk. Weitere Termine: 7. + 8. 1., 20 Uhr. Achtung: Derzeit sind für alle Vorstellungen nur noch Streaming­tickets erhältlich. (Näheres unter https://monsun.theater)

Der schon als Roman stark monologische Stoff fand recht schnell auf die Bühne, 2021 führte Schauspiel Frankfurt die fortan sozusagen offizielle Stückfassung von Anita Augustin und Florian Fiedler erstmals auf – passenderweise im Senckenberg-Naturmuseum.

Gespielt wird Lohmark von Julia Weden, wenn nun das Hamburger Monsun-Theater unter Regie von Kathrin Mayr diesen „Hals der Giraffe“ aufführt – und auf einer anderen Ebene das Spiel mit der Anpassung wiederholt: Die eigentliche Spielstätte in Hamburg-Ottensen wird saniert, eine alternative ist gefunden, muss aber auch erst ertüchtigt werden. Nun wird das Westwerk in der Hamburger Innenstadt zum befristeten Asyl; richtig viel Pu­blikum kriegt man da nicht unter. Gestreamt wird die späte Gefühlsverwirrung der gestrengen Biologin auch, aber das ist ja beinahe keine Nachricht mehr.

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