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Westafrika statt Wedding

Die Galerie Wedding hat ihre Räume wieder für sich allein – und plant eine Reise nach Ghana. „Intim/e“ heißt die aktuelle Ausstellung, die sich Isabel Lewis und Dirk Bell gemeinsam ausgedacht haben

„Raum der Reflexion über die Herausforderungen von Intimität“, Isabel Lewis in der Galerie Wedding Foto: Juan Saez/Galerie Wedding

Von Beate Scheder

Der Titel ist stimmig. Der Zeitpunkt passt gut zu der Ausstellung, die sich Isabel Lewis und Dirk Bell gemeinsam für die Galerie Wedding ausgedacht haben. „Intim/e“ heißt sie, lesen kann man darin sowohl das englische „in time“, also rechtzeitig, als auch das deutsche „intim“. Lewis und Bell, die auch privat ein Paar sind, handeln darin die Bedingungen von Intimität ab, wobei Intimität nicht nur im romantischen Sinne gemeint ist. Auch um andere Formen menschlicher oder auch kultureller Nähe geht es, um Begegnungen und Austausch, um all das also, was in den vergangenen 22 Monaten schwierig bis unmöglich wurde.

Als einen „Raum der Reflexion über die Herausforderungen von Intimität“ beschreibt Lewis selbst die Schau, die rein äußerlich nicht nur an eine Ausstellung erinnert. Kunst, ja, die gibt es, außerdem stehen dort aber Möbel, die sowohl nutzbar als auch Ausstellungsstücke sind – elf bewegliche Würfelhocker von Bell etwa, mit denen man je nachdem die Worte „Wartezimmer“, „Warten immer“ oder „Warte nimmer“ bilden kann. In der Mitte ist eine Musikanlage aufgebaut, die Wand ziert ein großes, dramatisches Blumenbouquet. Letzteres stammt von Anatomie Fleur, wie sich das Flo­ris­t*in­nen­paar Jean-Christian Pullin und Amandine Cheveau nennt, die in Prenzlauer Berg ihren Laden haben und florale Kompositionen für die Kunstwelt zusammenbinden. Alle drei Wochen liefern sie einen neuen Strauß. Mit einberechnet ist dabei, dass dieser im Laufe der Zeit sein Aussehen und auch seinen Geruch, vielleicht sogar Aggregatzustand verändert, dass seine Bestandteile mal schneller, mal langsamer die Köpfe hängen lassen, verwelken und vertrocknen.

Was Bell und sie in ihrer Arbeit verbinde, so erklärt es Lewis, sei, dass sie oft die Rolle einer Gastgeberin einnähmen. Lewis tut das unter anderem als Veranstalterin sogenannter „hosted occasions“, choreografierter sozialer Zusammenkünfte, Bell im Projektraum Very, den er gemeinsam mit einer Gruppe Künst­le­r*in­nen und Ku­ra­to­r*in­nen betreibt. Das in der Ausstellung fortzusetzen lag für die beiden nahe. Was sie gestaltet haben, ist eine Art experimenteller Salon. Auf dem Programm stehen Teezeremonien, Gespräche, Musiksessions und viele Gäste, wenn das denn so stattfinden kann.

„Intim/e“ eröffnete Ende November, als man ahnte, dass bald nicht mehr so viel gehen könnte, als das L-Wort wieder im Raum stand. Einen ersten Gast gab es da schon, Isabel Lewis traf die Künstlerin und Choreografin Nora Chipaumire, sprach mit ihr über Sprache, Kommunikation und Körperlichkeit, legte Musik auf.

Die Ausstellung und das Talkprogramm bilden den Abschluss des seit März 2021 laufenden Projekts „Existing Otherwise“, das Solvej Helweg Ovesen, die künstlerische Leiterin der Galerie Wedding, gemeinsam mit Lewis kuratiert. Sie ist die Erste, die wieder die gesamten Räumlichkeiten der Galerie Wedding bespielen kann. Allein das schon macht sie zu einem Erfolg. 18 Monate lang hatte sich die kommunale Galerie den Platz mit dem Sozialamt teilen müssen. Morgens war sie Amt, nachmittags konnte man Kunst gucken. Eine Zumutung war das für alle Beteiligten, die Künstler*innen, Ga­le­rie­mit­ar­bei­te­r*in­nen und Ausstellungsbesucher*innen, aber natürlich auch für die Weddinger*innen, die ins Sozialamt müssen.

Die Galerie protestierte, versuchte gleichzeitig, das Beste aus der Situation zu machen, und stellte mit Künst­le­r*in­nen eine Reihe von Ausstellungen auf die Beine, die sich mit dieser auseinandersetzten.

Würfelhocker sagen: „Wartezimmer“, „Warten immer“ oder „Warte nimmer“

Dass es überhaupt einmal wieder anders sein würde, stand länger nicht fest, eine noch größere Zumutung. Entsprechend begann man sich nach Alternativen umzusehen: Anderswo auf der Welt, „Existing Otherwise“ eben, anders zu existieren oder weiterzumachen, im Austausch mit anderen. Dieser Gedanke schwingt im Projekt mit, vor allem in dem, was jetzt noch kommt. Die Galerie Wedding plant nämlich einen Ausflug nach Westafrika.

Sie hätten angefangen, all die Einladungen, die sie in den vergangenen Jahren von Kunsträumen aus aller Welt erhalten hatten, durchzudenken, so erzählt es Ovesen. Eine davon hatte Ibrahim Mahama ausgesprochen, ein 1987 in Tamale geborener, international erfolgreicher ghanaischen Künstler. Mahama hatte unter anderem bei der documenta 13 auf sich aufmerksam gemacht, wo er die Kasseler Torwache in gebrauchte Jutesäcke hüllte. Außerdem ist Mahama Mitbegründer des Savannah Center for Contemporary Art (SCCA) in Tamale, einem Hybrid aus Projektraum, Forschungslabor, Ausstellungsort und Künstler*innenresidenz, und mit ebendiesem hat die Galerie Wedding eine Kooperation für „Existing Otherwise“ begonnen.

Digital, wie es die Umstände verlangen, lief diese bislang hauptsächlich ab. Ab Mitte Januar 2022 wird sich das ändern, dann kommt Berlin-Wedding nach Tamale; Ovesen und Lewis werden nach Ghana reisen, um Workshops zu geben und eine Ausstellung gemeinsam mit Mahama zu gestalten.

„Intim/e“ ist bis 12. Februar zu sehen

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