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Kraft, Wille und gute VorsätzeEine Frage des Selbstkonzepts

Der Ethikrat verbrennt Geld. Und eine Polaroid-Kamera kommt zum Einsatz. Wie bitte? Über den Wert guter Vorsätze zum Jahresbeginn.

„Es ist schön zu sehen, dass Sie die Lossagung vom Materiellen so konsequent verfolgen“ Foto: dpa/Patrick Pleul

K ürzlich ging ich in der Dämmerung spazieren, als ich an einem kleinen Platz den Ethikrat um einen Grill versammelt sah. Der Ethikrat, das sind drei ältere Herren von geringer Größe, die mir gelegentlich Handreichungen in Sachen praktischer Ethik geben. Der Rat beugte sich reihum zu einem Koffer, entnahm ihm ein Bündel und warf es in den Grill, in dem ein kleines Feuer brannte. Als ich nähertrat, sah ich überrascht, dass es Geldscheine waren, die dort brannten, denn der Rat war bislang nicht durch üppige finanzielle Mittel aufgefallen.

„Guten Abend“, sagte ich. „Wollen Sie sich dem epikureischen Ideal fröhlicher Armut annähern?“ – und stützte mich dabei auf das Wissen aus einem Reclam-Band, den ich zu lesen begonnen hatte, um dem Ethikrat wenigstens gelegentlich etwas entgegensetzen zu können. „Nun“, sagte der Ratsvorsitzende und warf ein Bündel ins Feuer, „wir wollen zugleich nachempfinden, was die K Foundation bewegte, als sie eine Million Pfund verbrannte.“

Ich hatte noch nie von der K Foundation gehört, aber ich vermutete, dass sie mit den beiden britischen Musikern zusammenhing, die in den 90er Jahren Geld auf einer Insel verbrannt hatten und danach jahrzehntelang nach den Gründen befragt worden waren. Soweit ich mich erinnerte, wussten sie es selbst nicht so genau, aber einer von ihnen hatte gesagt, sozusagen als Resümee, dass die Tragweite dramatischer Gesten überschätzt würde.

„Es ist schön zu sehen, dass Sie die Lossagung vom Materiellen so konsequent verfolgen“, sagte ich anerkennend. Der Ratsvorsitzende hustete. „Haben Sie möglicherweise eine Frage für uns?“, fragte er schließlich. „Ja“, sagte ich froh, denn ich hatte mich auf dem Spaziergang gefragt, ob ich zu Silvester die Tradition der guten Vorsätze wiederaufleben lassen sollte, die ich wegen mangelnder Erfolge aufgegeben hatte. „Ist es nicht auch eine Frage des Selbstkonzepts?“, wandte ich mich an den Rat. „Die Vorsätze sind doch wie eine Peitsche, die man nutzt, weil man annimmt, dass das Pferd nicht von sich aus so schnell läuft, wie es kann, sondern dass man alles aus ihm herausprügeln muss.“

Keim für eine bessere Zukunft

Eines des Ethikratmitglieder holte eine Sofortbildkamera aus dem Koffer und fotografierte den Grill, dann machte es Porträtaufnahmen des Rats vor dem leise knisternden Feuer. „Und andererseits“, sagte ich in der müßigen Hoffnung, die Aufmerksamkeit des Rates zu gewinnen, „ist doch die Zuversicht, die in der Annahme liegt, über sich hinauswachsen zu können, etwas Schönes. Und wenn es um mehr geht als um den Vorsatz, mehr Geld zu verdienen, ist es doch gesellschaftlich gesehen der Keim für eine bessere Zukunft“.

„Ut desint vires, tamen est laudanda voluntas“, sagte der Vorsitzende, während er sich lächelnd über das Feuer neigte, denn das Ratsmitglied wollte eine Nahaufnahme versuchen.

„Oh“, sagte ich, „natürlich, ‚wo die Kräfte fehlen, ist doch der Wille zu loben‘, Ovid, Briefe aus dem Pontus“ – und schon während ich wiederholte, was aufmunternd in der Einleitung meiner Philosophiegeschichte gestanden hatte, überkam mich der Zorn über meinen Wunsch, den Ethikrat zu beeindrucken, überhaupt irgendjemanden zu beeindrucken, statt die paar Kräfte zu etwas Sinnvollem zu sammeln.

Aber der Rat hörte mir ohnehin nicht zu, sondern vertiefte sich in die Betrachtung der Polaroid-Bilder. „Wäre es nicht konsequenter, die Aktion nicht zu dokumentieren?“, frage ich gehässig. Aber dann fiel mein Blick auf das letzte Scheinbündel im Koffer. „1.000 Lire“ stand dort, neben dem Bild einer lächelnden älteren Dame. „Oh“, sagte ich, „Sie haben auch in der Wahl der Banknoten die 90er Jahre nachempfunden.“ Der Vorsitzende hustete erneut. „Wir bemühen uns“, sagte er.

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Friederike Gräff
Redakteurin taz nord
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