Freier Himmel, freier Jazz

JAZZ-OPEN-AIR Am Wochenende bringt das Jazzbüro Hamburg zum 17. Mal einen Querschnitt durch den lokalen Jazz in die Musikmuschel in Planten un Blomen

Ein kreativer Parforceritt durch unvermessene Freiräume und Klangdimensionen

VON ROBERT MATTHIES

Ungewöhnlich ist schon das Projekt Eisenrot der zwei Jazz-Posaunisten Heinz-Erich Gödecke und Christophe Schweizer allein: zwei Bläser treffen auf zwei Bassisten und zwei Schlagzeuger, allesamt eigenwillige Musikerpersönlichkeiten mit ganz unterschiedlichen Hintergründen und Spielweisen: Zwei Trios als Sextett, die sich im gegenseitigen Wechselspiel vorantreiben. Dabei kommt eine ganze Menge an Spannung zusammen: Free Jazz und Neue Musik, Jazzgeschichte und Avantgarde, Komposition und Improvisation, hyperaktive Brachialität und subtile Konzentration, Gruppendynamik und solistische Ausreißer. Ein kreativer Parforceritt durch unvermessene Freiräume und neue Klangdimension, voller Überraschungen, ungeschönter Brüche und halsbrecherischer Wendungen.

Ganz anders die Band, die mit dem Doppel-Trio morgen in der Musikmuschel in Planten un Blomen zum Auftakt des zweiten Tages des diesjährigen Jazz Open gemeinsam auf der Bühne steht: Seit Mitte der 1950er schon spielt die Old Merry Tale Jazzband traditionellen Jazz, Dixieland, Swing der Prä-Bigband-Ära – und verswingten Schlager: sieben Wochen lang war sie 1961 mit ihrer Version von „Am Sonntag will mein Süßer …“ auf Platz eins der Deutschen Hitparade. 1985 hat deren Posaunist Jost „Addi“ Münster mit verjüngter Formation die Band neu gegründet. Ein Aufeinandertreffen zweier Jazz-Extreme, das nur eines ganz sicher nicht wird: langweilig.

Zum 17. Mal präsentiert das vom Hamburger Jazzbüro veranstaltete zweitätige Jazz Open unter freiem Himmel und bei freiem Eintritt die lokale Szene. Los geht es jeweils im 15 Uhr, insgesamt stehen jeweils fünf Bands auf der Bühne: Die Count Pauli Big Band aus dem Umfeld der NDR Bigband spielt zum Auftakt funky Swing der 60er und 70er, Björn Lucker’s Aquarian Jazz Ensemble unter anderem mit Saxophonist Gabriel Coburger durchmisst im Anschluss das ganze Spektrum von Hard Bop bis Neuer Musik. Der umtriebige Sampler-, Syntheziser- und Effektgerätemeister Victor Marek trifft auf den Jazzbassisten und Phonobrother Felix Behrendt, bevor die NDR Bigband mit dem finnischen Gitarristen Kalle Kalima die Bühne betritt. Den Tag beschließt die Hamburger Jazzsängerin Caro Josée.

Am Sonntag geht es nach Eisenrot und der Old Merry Tale Jazzband mit dem Modern Jazz Ensemble der Hochschule für Musik und Theater, dem Jazztrio CNIRBS um brennt records-Label-Co-Chef Matthäus Winnitzki, dem Saxophonisten Ernst-Ludwig Petrowsky und der Sängerin Uschi Brüning sowie dem Groove-Jazz-Quartett Jazul weiter.

■ Sa, 23. 6. und So, 24. 6., je 15 Uhr, Musikmuschel in Planten un Blomen, Tiergartenstraße