SPD fordert: Geld darf nicht die Welt regieren

Sozialdemokraten verabschieden Wahlmanifest, das die Parteilinken zufrieden macht. Und Schröder auch. Sagt er

BERLIN taz ■ Vor dem Willy-Brandt-Haus steht ein roter VW Fox. Das kleine Auto gehört den „Friends of Gerd“, die unverdrossen mit der Botschaft durch die Gegend fahren, dass Gerhard Schröder Kanzler bleiben müsse. Verlorenes Vertrauen im Bundestag hin, miese Umfragen her.

Nun sage aber bitte keiner, so ein kleines Auto reiche mittlerweile aus, um alle Freunde Schröders zu befördern. Nein, der Kanzler und seine Partei haben sich wieder lieb. Jedenfalls nach außen hin zeigen sich SPD-Rechte, -Linke und Gerd einig. Einig im „Vertrauen in Deutschland“. So heißt das Wahlmanifest der SPD, das gestern von einem kleinen Parteitag abgesegnet wurde und das alle Flügel lobten.

Auch Gerhard Schröder ist begeistert. Er sei „sehr zufrieden“ mit dem Wahlmanifest der SPD, teilte sein Regierungssprecher mit. Eigentlich ist das eine Nullnachricht. Schließlich firmiert als Autor des Manifests neben Franz Müntefering, dem Parteichef: Gerhard Schröder selbst. Dennoch war das Lob des Kanzlers für sein eigenes Werk mehreren Nachrichtenagenturen Schlagzeilen wert. Warum wohl? Es scheint einfach immer noch schwer zu glauben, dass Schröder wirklich das vertritt, was die SPD da auf 37 Seiten im Wahlkampf unters Volk streuen möchte. An die alte Agenda 2010 des Kanzlers erinnern im neuen Manifest 2005 nur noch Spurenelemente, auch wenn rhetorisch das Gegenteil behauptet wird.

Die Agenda sei „das wichtigste Reformprojekt seit langem“, heißt es an einer Stelle des Programmentwurfs. „Wir setzen sie konsequent um und entwickeln sie weiter.“ Diese Ankündigung jedoch stört die Parteilinken, die ja angeblich Neuwahlen nötig machten, weil sie der Fortführung der Agenda 2010 im Wege standen, nicht im Geringsten. Um das Papier kann sich nach Meinung der Sprecherin der SPD-Linken, Andrea Nahles, „die gesamte Partei versammeln“. Und selbst die kritische stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer äußerte sich zufrieden: „Die SPD ist bei neuralgischen Punkten auf die Gewerkschaften zugegangen.“

Die Freude ist verständlich. „Wir akzeptieren nicht, dass ‚Geld die Welt regiert‘“, steht im Programm. Ebenso wie die von Schröder ungeliebte Bürgerversicherung für alle. Nicht enthalten sind dagegen konkrete Fortführungen der Schröder’schen Agenda, geschweige denn Pläne für Reformen, die brutal ausfallen könnten. Angekündigt werden vielmehr soziale Abmilderungen der Hartz-Reformen.

So sollen ostdeutsche Hartz-IV-Empfänger mehr Geld bekommen: „Die unterschiedliche Höhe der Regelsätze für Arbeitslosengeld II in Ost und West werden wir aufheben.“ Und für ältere Arbeitslose, die eigentlich ab Januar kommenden Jahres mit 345 Euro auskommen sollten, würde der Bezug des wesentlich höheren Arbeitslosengeldes I verlängert – wenn die SPD so regieren dürfte, wie sie jetzt plötzlich zu wollen vorgibt.

Ob das was mit Oskar Lafontaine und der Linkspartei zu tun hat? Aber nicht doch! Die werden in einem Extrakapitel des SPD-Programms als „Demagogen“ wüst beschimpft. Mit der Besserstellung von älteren und ostdeutschen Arbeitslosen zielt die SPD allerdings genau auf die Klientel der neuen Konkurrenz von links außen. Seit Hartz IV beschlossen wurde, gehörte die Klage über die ungerechte Behandlung älterer Arbeitsloser zu Lafontaines Talkshow-Mantra.

Auch für Paare, die Eltern werden wollen, gibt es frohe Kunde: Sie sollen im ersten Lebensjahr des Kindes mit einem lohnbezogenen Elterngeld entlastet werden. Familien sollen damit ihren Lebensstandard halten können, auch wenn ein Elternteil wegen der Kindererziehung die Berufstätigkeit unterbricht. Gleichzeitig soll die Tagesbetreuung ausgebaut und Kindergärten sollen gebührenfrei werden. Das Erststudium soll frei von Gebühren und das Bafög erhalten bleiben.

Womit das alles bezahlt werden soll? Erstens durch „konsequenten Subventionsabbau“. Zweitens mit dem Geld der Reichen. Nachdem Spitzenverdiener unter Rot-Grün entlastet wurden, sollen sie nun eine um 3 Prozentpunkte höhere Einkommensteuer zahlen. Wie das alles zu ihm, dem Kanzler, passen soll, will der Kanzlerkandidat Schröder heute auf einer Pressekonferenz erklären. LUKAS WALLRAFF