: Kieselhart unterm Baum
Was passiert mit ungenießbaren Plätzchen?
Trotz eindringlicher Warnungen aus vernunftbegabten Fachrichtungen wie Wissenschaft und Zuckerbäckerei gehört das mit eigener Hand ausgestochene und anschließend zum Brikett gebackenen Plätzchen für viele Menschen noch immer zum unabdingbaren Weihnachtsbrimborium. Ein durchschnittlich betreutes bundesdeutsches Kind rollt in der Vorweihnachtszeit sinnlos 1,2 Quadratkilometer Teig aus und sticht mit einer Tagesleistung von 38,5 Förmchen zu. Dazu müssen noch brandaktuelle Modekekse wie die Omikron-Makrone und das Booster-Spritzgebäck sowie der Ausstoß erratischer Ofenindividualisten gerechnet werden, die den Weihnachtsteller jährlich mit 8,6 Tonnen kulinarischem Sondermüll wie Chai-flavoured Chia-Chili-Chipfeli belasten. Zwischen den Jahren muffen die stets ungefragt überreichten Do-it-yourself-Backwaren unter dem Weihnachtsbaum zu Kieselhärte aus und werden ab Neujahr als Schotter im Straßenbau verwendet. Pro Jahr entstehen so allein 39,6 Kilometer Trasse auf Spekulatiusbasis. Während man in Frankreich leckere Macarons in der Confiserie kauft und ergo noch immer auf Holperwegen fährt, verdankt das deutsche Autobahnnetz seine Ausdehnung und Beständigkeit einzig dem heimischen Hang zum Ungenießbarem.
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