kritisch gesehen
: Kein Edelweiß und keine Zebras

Also, ich musste wieder auf ein paar Tage nach Zürich. Es war ganz schrecklich“: Wie die Vorlage beginnt auch diese, nennen wir sie die Hamburger Bühnenfassung von Christian Krachts „Eurotrash“. „Dazu muss ich sagen“, sagt also bald ein durchaus nach Kracht aussehender Jirka Zett, „dass ich vor einem Vierteljahrhundert eine Geschichte geschrieben hatte, die ich aus irgendeinem Grund, der mir nun nicht mehr einfällt, ‚Faserland‘ genannt hatte.“

Es kommt da in der Bearbeitung von Susanne Meister und Stefan Pucher, der auch Regie führt, noch eine Schicht hinzu zum beinahe schon zu deutlichen Spiel mit der Authentizität und ihrer Behauptung, dem Wahren und dem bei Wikipedia zu Prüfenden. Da steht nun ein Ich-Erzähler, der schon mal Autor gewesen sein will, aber nicht die Hauptfigur des damals Geschriebenen; die ist er aber nun, in dieser, tja, Fortsetzung. Oder?

Seine Mutter hat ihn kommen lassen, „ich solle doch bitte mal rasch kommen, es war ganz unheimlich gewesen am Telefon“. Phänomenal ist Barbara Nüsse als Mutter Kracht: Kann spröde und garstig und gleich darauf bemitleidenswert, und dann erinnert sie wieder dran: Muttern lebt in einer, noch dazu besonders schlimmen Nervenklinik, das lässt sich nicht im innerfamiliären Abendrot wegkuscheln: So jemand kann ganz entsetzlich nerven.

Aber wenigstens materiell stimmt alles: Mit Schnaps und den verschriebenen Tabletten und einer Plastiktüte mit 600.000 Franken in bar machen sich also Mutter und Sohn auf eine Reise, sodass man annehmen muss: Es könnte die letzte gemeinsame sein. Das Geld, flüssig gemachte Anteile an deutschen Waffenfirmen, soll verteilt werden, verschenkt, und eigentlich wäre die Mutter gerne noch mal nach Afrika gefahren, stattdessen wird es eine leicht holprige Schweizreise.

Maximal befrachtet ist die kleine Reisegesellschaft nicht nur mit dem Naheliegenden, also dem Stoff für Psychoanalysen und, das Alter!, peinlichen Erfordernissen wie dem Wechseln des Stomabeutels. Zudem sitzt auch noch die ganz große und – da deutsch – üble Geschichte des 20. Jahrhunderts mit im Taxi, das wir allerdings nie gezeigt bekommen; die Berge, immerhin, die sind angedeutet im Bühnenbild von Barbara Ehnes.

Man muss es gar nicht gleich Duell nennen, was Nüsse und Zett sich da liefern, aber es ist ein mitunter furios gut eingespieltes Miteinander – ein auch mal enorm komisches Sich-Reiben, dass die Funken sprühen und dann wieder eine Zartheit, die sich nicht festhalten lässt. Am Ende hat die Mutter weder ihre geliebten Zebras noch mal gesehen noch das versprochene Edelweiß. Alexander Diehl

Weitere Vorstellungen: 20. + 27. 12., 15. 1. 22, 20 Uhr, Thalia Gaußstraße; ausverkauft, eventuell Restkarten