: Preisrennen: E.on Hanse gibt Gas
Saftige Preiserhöhung zum 1. August. Erdgas wird 25 Prozent mehr kosten als vor einem Dreivierteljahr. Verbraucherzentrale ruft zum Boykott auf. Bundeskartellamt beobachtet den Markt, sieht aber „zurzeit keinen Anlass zum Einschreiten“
von Gernot Knödler
Der Energieversorger E.on Hanse will zum 1. August den Erdgaspreis um 12,9 Prozent anheben (siehe Kasten). Zusammen mit den beiden vorangegangenen Erhöhungen ergibt das einen Aufschlag von mehr als 25 Prozent innerhalb eines Dreivierteljahres. E.on Hanse begründete die Erhöhung mit den höheren Einkaufspreisen: Der Erdgaspreis ist mit langfristigen Verträgen an den stark steigenden Ölpreis gekoppelt. Verbraucherschützer und Mieterverein, aber auch der Grundeigentümerverband und das Bundeskartellamt halten dieses Argument nicht für tragfähig. „In den Verträgen mit den Kunden“, sagt Edda Castello von der Verbraucherzentrale, „steht nichts vom Ölpreis.“
„Wir sind uns bewusst, dass das keine populäre Nachricht ist“, beteuert Hans-Jakob Tiessen, der Vorstandsvorsitzende von E.on Hanse, „aber wir haben keine Wahl.“ Allein 2004 seien die Energiepreise um 40 Prozent gestiegen. Eine Trendwende sei nicht in Sicht. „Regionale Versorger können sich von der weltweiten Entwicklung nicht abkoppeln“, argumentiert Tiessen.
80 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases wird aus Russland, Norwegen und den Niederlanden importiert. Die Koppelung der Gaspreise an die Preise für leichtes Heizöl sei eingeführt worden, weil es so wenige Lieferländer und damit praktisch keinen Markt für Erdgas gebe, behaupten die Versorger. Mit ihrer Hilfe orientiere man sich am Marktpreis für Erdöl. Die langfristigen Verträge sicherten die Versorgung.
„Das Argument der zwingenden Übertragung der Langfristbindung auf die Weiterverteilstufe ist nicht stichhaltig, wie selbst aus Kreisen der Importgesellschaften bestätigt wird“, heißt es dagegen in einem Diskussionspapier des Bundeskartellamtes vom 6. April. Wenn die etablierten Versorger das Recht auf eine spiegelbildliche Weitergabe ihrer langfristigen Bezugsbindungen forderten, so gehe es nicht um Versorgungssicherheit, sondern darum, das jeder Handelstätigkeit innewohnende Mengenrisiko auszuschließen – zu Lasten anderer Wettbewerber und letzlich der Allgemeinheit, die tendenziell überhöhte Preise bezahlen müsse.
Nach Ansicht des Bundes der Energieverbraucher ist in den Gaspreisen etwa 16 Prozent Luft. „Um diesen Prozentsatz haben sich zwischen April 1997 und April 2005 die Gaspreise für Haushalte stärker erhöht als Importpreise, Inflation und höhere Steuern zusammengenommen“, sagt der Vorsitzendes des Bundes, Aribert Peters. Mit diesem Luftpolster könnten Importpreissteigerungen von fast 50 Prozent aufgefangen werden, weil die Einkaufspreise nur ein Drittel des Haushaltspreises ausmachten (vgl. www.energieverbraucher.de/seite1543.html).
Das Kartellamt wurde von E.on Hanse vorab über die Preiserhöhung informiert. „Wir beobachten die weitere Marktentwicklung, haben aber zurzeit keinen Anlass zum Einschreiten“, sagt dessen Sprecherin Irene Tilmann. E.on Hanse war der Behörde entgegengekommen, indem sie anbot, ab dem 1. Oktober wieder zwölfmonatige Festpreisverträge anzubieten. „Es ist schön, dass es überhaupt mal eine Alternative gibt für den Verbraucher“, findet Tilmann.
„Wer jetzt noch nicht boykottiert, ist selbst schuld“, sagt dagegen Costello von der Verbraucherzentrale. Rund 10.000 von 489.000 Erdgaskunden der E.on Hanse haben sich geweigert, die beiden vergangenen Preiserhöhungen mitzumachen. 52 Gasverbraucher haben außerdem gegen die Preiserhöhungen geklagt. Das Verfahren läuft.