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Klare, aber bescheidene Mehrheit

Mit 86 Prozent bestätigen die Grünen in einer Urabstimmung den Koalitionsvertrag

Aus Berlin Jasmin Kalarickal

Michael Kellner, der Bundesgeschäftsführer der Grünen, macht es kurz: Mit 86 Prozent stimmten die Grünen-Mitglieder für den Koalitionsvertrag. Das „sei ein starkes Votum“ für den Start der Ampel­koalition, sagte Kellner am Montag in Berlin. Seit dem 26. November bis Montagmittag konnten die rund 125.000 Parteimitglieder über den Vertrag und die nominierten Mi­nis­te­r:in­nen abstimmen. Die Wahlbeteiligung lag laut Kellner bei 57 Prozent.

Mit „starkem Rückenwind“ starte die Partei nun „in eine starke neue Bundesregierung“, sagte Parteichefin und künftige Außenministerin Annalena Baerbock. Die Eindämmung der Coronapandemie sei nun die „prioritäre und allerallerwichtigste Aufgabe“ in den nächsten Wochen und Monaten. Robert Habeck sagte, als designierter Wirtschaftsminister wolle er sich um die „Versöhnung von ökologischen Fragen und ökonomischen Notwendigkeiten“ kümmern. Steffi Lemke, die das Umweltressort übernehmen wird, wolle „Landnutzung und Landschutz unter einen Hut“ bringen. Anne Spiegel bedankte sich für den „Vertrauensvorschuss“, sie könne es als künftige Familienministerin kaum erwarten, „die wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen anzupacken“. „Familien und Kinder“ müssten in der Pandemie Berücksichtigung finden.

Cem Özdemir, der der erste Bundesminister mit türkischer Migra­tionsgeschichte wird, sprach von einem „emotionalem Moment“. Als Sohn von sogenannten Gastarbeitern sei es ihm „nicht in die Wiege gelegt worden“, einmal Minister zu werden. Das sei ein „Zeichen für einen Veränderungsprozess“. Er wolle als Landwirtschaftsminister „Anwalt der Bäuerinnen und Bauern, aber gleichzeitig auch der oberste Tierschützer“ sein. Die künftige Kulturstaatsministerin Claudia Roth bedankte sich für das „Megaergebnis“ und sprach von einem „Paradigmenwechsel weg vom Status quo“ und einem „Aufbruch in die Wirklichkeit“.

Der ersten Ampelregierung im Bund steht nun nichts mehr im Weg. SPD und FDP hatten den Koalitionsvertrag jeweils am vergangenen Wochenende bestätigt. Das Ergebnis der Grünen wurde mit Spannung erwartet. Mit einer Zustimmung wurde gerechnet, aber die Prozentzahl ist in diesem Fall auch ein Gradmesser dafür, ob die von den Grünen lang und hart erarbeitete Harmonie und Geschlossenheit auch in einer Ampelregierung Bestand haben wird.

Etwas Gerangel hatte es schließlich zuletzt bei der Vergabe der Ministerposten gegeben: Dass sich Realo Cem Özdemir als künftiger Landwirtschaftsminister gegen den bisherigen Fraktionschef Anton Hofreiter durchgesetzt hat, kam im linken Flügel nicht gut an. Der promovierte Biologe Hofreiter galt mit seiner Fachexpertise eigentlich lange als gesetzt, ging dann aber überraschend leer aus. Manche befürchteten einen neuen Flügelkampf. Auch dass das Verkehrsministerium mit Volker Wissing an die FDP ging, hat für Kritik gesorgt – schließlich ist es für die Bekämpfung der Klimakrise ein zentrales Ressort.

86 Prozent, das ist eine klare Mehrheit, gemessen an den Ergebnissen der SPD und FDP aber bescheidener. Die SPD hatte bereits am vergangenen Samstag mit 98,8 Prozent zugestimmt, die FDP am Sonntag mit 92,2 Prozent.

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