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Es ist nie genug

Alexander Zverev gewinnt das Turnier der besten acht Tennisprofis souverän, muss sich dann aber provozierende Fragen gefallen lassen

Wenn die blaue Stunde naht: Alexander Zverev, glücklich, nach seinem Finalsieg gegen den Russen Daniil Medwedew Foto: Luca Bruno/ap

Aus Turin Klaus Bellstedt

Pressekonferenzen bei großen Tennisturnieren laufen immer nach dem gleichen Muster ab: Zunächst werden den Spielerinnen und Spielern Fragen auf Englisch gestellt. Die internationalen Medien wollen bedient werden. Im Anschluss gibt es Fragen in der Muttersprache der Profis, die in diesem Fall der Deutsche Alexander Zverev nach dem Gewinn der ATP-Finals in Turin oben auf dem Podium am späten Sonntagabend wie immer leicht gelangweilt beantwortete. Aber kann man es ihm verübeln? Soeben hatte der 24-Jährige nach einer wirklich herausragenden Leistung im Endspiel dieses Eliteturniers der besten acht Tennisprofis der Welt mit 6:4 und 6:4 gegen den Russen Daniil Medwedew gewonnen und damit ein außergewöhnlich gutes Tennis-Jahr gekrönt, als – typisch deutsch – prompt wieder nach dem gefragt wurde, was Zverev in seiner immer steiler verlaufenden Karriere noch nicht erreicht hat.

„Hintern aufreißen“

Inwiefern er denn jetzt auch von sich selbst erwarten würde, im nächsten Jahr endlich seinen ersten Grand-Slam-Titel zu gewinnen, wollte der Pressevertreter wissen. Man hatte kurz Angst, dass Zverev, er kann das wirklich sehr gut, pampig werden würde. Aber der Hamburger dachte in der Stunde dieses für ihn so schönen Saisonabschlusses wirklich schon an Morgen. „Ich werde mir den Hintern aufreißen, dass es passieren wird“, sagte er und wirkte dabei entschlossen und ernst. Der Satz klang wie eine Drohung an die Konkurrenz. Vor allem an den Weltranglisten-Ersten Novak Đoković.

Der Serbe gilt immer noch als das Nonplusultra im Männer-Tennis. Er hat in dieser Saison drei der vier Grand-Slam-Turniere gewonnen und wird das Tennis-Jahr zum siebten Mal als Führender des ATP-Rankings abschließen. Zverev hat Đoković 2021 zwei Mal besiegen können. Im Halbfinale bei den Olympischen Spielen in Tokio und jetzt in Turin bei den ATP-Finals auch wieder in der Vorschlussrunde. Beide Male waren es packende und enge Matches, die jeweils über die volle Spieldistanz gingen. Deutschlands bester Tennis-Spieler ist eigentlich nah dran am Routinier, aber die Wahrheit ist eben auch, dass der Weltranglistendritte Zverev Konkurrent Đoković sowohl bei den US Open als auch in Melbourne bei den Aus­tralian Open unterlegen war. Und damit nicht genug: Immer noch fehlt dem Aufschlagriesen bei den Grand-Slam-Turnieren ein Erfolg über einen Top-Ten-Spieler. Man mag das kaum glauben.

„Novak ist der dominante Spieler auf der Tour, er hat bei drei Grand-Slam-Turnieren triumphiert. Das ist Fakt“, sagte Zverev in Turin. Er sehe sich und Medwedew als „Herausforderer“ des Serben. Genau, da ist ja noch ein Spieler, der im Gerangel um die Nummer 1 der Welt mitmischen wird. Medwedew steht derzeit einen Rang hinter Đoković, aber immer noch vor Zverev. Im Finale von Turin hatte der 25-Jährige keine Chance.

Der Russe, zuvor fünf Mal in Folge Sieger gegen Zverev, war in diesem Endspiel immer wieder sichtlich überrascht über das variantenreiche Spiel seines Gegenübers. Zverev streute auch bei seinen Grundschlägen, die er normalerweise präzise und hart an die Linien schlägt, wiederholt kurze und langsamere Bälle ein. Medwedew hatte mit diesem Wechselspiel große Probleme, fand nie seinen Rhythmus und kam gar nicht erst dazu, wie sonst üblich, seinen Gegner zu zermürben. Zverev war immer der Chef auf dem Platz und diktierte auch über seinen krachenden Aufschlag bis zum Schluss das Tempo. Alles, wirklich alles, funktionierte. Am Ende hatte der Deutsche nach gerade mal 75 Minuten seinen sechsten Titelgewinn in dieser Saison perfekt gemacht.

„Es ist ein Wahnsinnsjahr für mich“, sagte Zverev im Anschluss an diese Demonstration der Stärke im On-Court-Interview, dem obligatorischen Feel-Good-Pläuschchen unten auf dem Platz, als alle Scheinwerfer in der „Pala Alpitour“ in Turin auf ihn gerichtet waren. Er sei „so motiviert wie noch nie“, schob Zverev noch hinterher, und man wurde als stiller Betrachter der Szene den Eindruck nicht los, als habe er wirklich nur noch dieses eine Ziel fest vor Augen: den Gewinn seines ersten Grand-Slam-Titels.

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