„Ein Superministerium wäre fatal“

Sicherheitsexperten fordern die Zusammenlegung von Entwicklungs- und Außenministerium.
Stephan Exo-Kreischer, Leiter der Entwicklungsorganisation ONE, warnt vor diesem Schritt

Foto: Marco Urban

Stephan Exo-Kreischer, 44, leitet seit 2016 das Deutschlandbüro der Entwicklungsorganisation ONE.

Interview André Zuschlag

taz: Herr Exo-Kreischer, der Vorsitzende der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, und Christoph Heusgen, ehemaliger deutscher UN-Botschafter, wünschen sich von der neuen Bundesregierung eine Zusammenlegung des Entwicklungs- mit dem Außenministerium. Was befürchten Sie, sollte es so kommen?

Stephan Exo-Kreischer: Die Entwicklungspolitik würde an Bedeutung verlieren. Und das wäre fatal angesichts wichtiger Zukunftsthemen, etwa wie die UN-Nachhaltigkeitsziele in den kommenden Jahren erreicht werden können.

Warum?

Die beiden Ministerien haben unterschiedliche Aufgaben, arbeiten aber bei einigen Themen zusammen. Nur verfolgen sie andere Zielsetzungen und es entstehen in solchen Fällen Konflikte zwischen den Ministerien, die dann verhandelt werden. Da ist es gut, wenn die Konflikte zwischen zwei Gleichrangigen ausgetragen werden, um eine ressortübergreifende Strategie voranzubringen. Würde die Idee eines Superministeriums umgesetzt, wird die Entwicklungspolitik zur kleinen Schwester der Außenpolitik.

Ischinger und Heusgen bemängeln „Zuständigkeitsquerelen“ zwischen Außen- und Entwicklungsministerium. Sehen Sie die nicht?

Doch, natürlich. Aber es gibt immer Abstimmungsbedarf, ob nun zwischen Ministerien oder, kommt es zu einem gemeinsamen Ministerium, zwischen den Abteilungen.

Könnte die Entwicklungszusammenarbeit als Teil der Außenpolitik nicht auch mehr Einfluss gewinnen?

Ich finde, das wird dem Ministerium nicht gerecht. Bei aller berechtigten Kritik gab es schließlich auch Erfolge in den vergangenen 20 Jahren – etwa bei der Erreichung der Millenniumziele, bei sinkender Kinder- und Muttersterblichkeit oder beim Kampf gegen Hunger und Armut. Natürlich hätte mehr geschehen können und müssen, aber durch das Ministerium hat sich Deutschland einen guten Namen gemacht.

Ischinger und Heusgen argumentieren mit dem schnellen Zusammenbruch der politischen Strukturen in Afghanistan nach dem Abzug westlicher Truppen. Sie sagen: Da wurden jahrelang Milliarden in Entwicklungshilfe gepackt und es hat nichts gebracht.

Ich finde es weit hergeholt, das Scheitern der Nato-Partner in Afghanistan dem Entwicklungsministerium anzulasten.

In den meisten Ländern ist Entwicklungszusammenarbeit Sache des Außenministeriums: Liegen die damit falsch?

Ja, damit verkennen sie die Wichtigkeit von Entwicklungspolitik. Und was aus einer Zusammenlegung folgt, ist in Großbritannien zu sehen: Das Land war immer ein Vorreiter in der Entwicklungspolitik mit vielen innovativen Ideen. Es hatte sogar ein Gesetz, mit dem es sich verpflichtete, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens in die wirtschaftliche und soziale Entwicklung von Entwicklungsländern zu stecken. Doch nachdem Boris Johnson voriges Jahr das Ministerium an das Außenministerium angegliedert hatte, wurde das Gesetz kassiert. Seither hat die Entwicklungspolitik an Bedeutung verloren und die große Expertise innovativer Entwicklungspolitik geht kontinuierlich verloren.

Sollte Deutschland seine entwicklungspolitische Arbeit künftig stärker an politische Bedingungen knüpfen?

Deutschland sollte durchaus auch die wirtschaftspolitische Zusammenarbeit an Bedingungen knüpfen – Einhaltung der Menschenrechte, Good Governance oder nach ökologischen Kriterien. Aber man darf nicht vergessen: Es besteht die Gefahr, Menschen in ärmsten Ländern zu bestrafen für Regierungen, die sie nicht gewählt haben. Da könnte eine Lösung sein, mehr mit der Zivilgesellschaft, also nicht staatlichen Strukturen, zusammenarbeiten.