: Wenn die Oberschicht auch warten muss
Stuttgart-Mitte,
24.000 Einwohner.
Seit jeher das Zentrum der schwäbischen Landeshauptstadt, in das man zum Einkaufen fährt, aber auch, um ins Theater oder in die Oper zu gehen.
Es ist nicht genug Platz für alle da in dem Biergarten vor der schönen alten Stuttgarter Markthalle, wo sich mit Blick auf den Turm der Stiftskirche Maultaschen (geschmälzt) bestellen lassen oder auch Schweinekrustenbraten in Biersoße. Es kostet nicht so viel hier, und das Bier heißt Dinkelacker.
Aber an so einem schönen Herbsttag, an dem die Mittagssonne noch ein bisschen wärmt, bildet sich vor dem Eingang eine Schlange, in der nicht jeder gewohnt ist zu warten. Zwei männliche Exemplare in Strickjacken, vielleicht Ende sechzig, die in der Tierwelt leicht als Zwölfender durchgehen würden, ziehen ungeduldig ihr Handy. „Ja, hier isch voll, des dauert“, spricht der eine hinein, doch seine erfolgreich geliftete Begleiterin fällt ihm in den Arm: „Wart doch no’ kurz, da drübe wird doch frei – und da und da“, und sie deutet mit dem Finger auf die Menschen, die noch nicht zu Ende gegessen haben, aber hoffentlich bald.
Die Frau des anderen trägt Pelz, sie rückt näher zum Eingang mit dem Schild „Bitte warten“ vor, der Rest der Familie kommt jetzt auch. Gleich nebenan wäre auch ein Nobelitaliener, da ist noch Platz, doch da gehen sie nicht hin. Sie gehen dorthin, wo es Maultaschen gibt, die 12,50 Euro kosten. Daniel Wiese
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