: Schluss mit dem Rummel
WOHNEN Die Friedrichshainer Wagenburg Rummelplatz muss weichen, weil der Liegenschaftsfonds das Grundstück verkaufen will. Der sagt, er sei dazu verpflichtet
■ Die Zahl der Berliner Wagenburgen ist in den letzten Jahren gestiegen: Aktuell gibt es in Berlin 14 – 2009 waren es 12, 2002 nur 10. Allerdings ist die Zahl der Bewohner deutlich gesunken: Lebten 2009 noch mindestens 316 Menschen in den Lkws und Wagen, sind es in diesem Jahr rund 250. Laut Polizei liegen die tatsächlichen Zahlen aber wegen der großen Fluktuation auf den Plätzen höher. Die meisten Wagenburgen befinden sich in Friedrichshain-Kreuzberg, darunter der Rummelplatz.
■ Wer sich für ein Leben in einer Wagenburg entscheidet, entscheidet sich auch immer für ein Leben im Ungewissen. Das liegt zum einen daran, dass Bauwagenplätze meist nur zeitlich befristete Mietverträge für die Gelände bekommen, auf denen sie stehen. Vor allem aber sind zwei Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin von 1998 und 2003 für die Unsicherheit verantwortlich. Das Gericht befand, dass Wagenburgen im innerstädtischen Bereich nie rechtlich zulässig sind. (kwb)
VON KLAAS-WILHELM BRANDENBURG
Es ist fast idyllisch in der Bauwagensiedlung Rummelplatz in der Friedrichshainer Friedenstraße: Mannshohe Bäume stehen neben bemalten Bauwägen, Hunde laufen herum. Doch die zwölf Bewohner der Wagenburg – der jüngste eineinhalb, der älteste 35 – werden sich an diesem Anblick nicht mehr lange erfreuen können: Am Samstag müssen sie von dem Gelände verschwunden sein. Dann nämlich endet der Mietvertrag, den die Bewohner mit dem Eigentümer der Brachfläche, dem Liegenschaftsfonds, geschlossen haben.
2.200 Quadratmeter
„Vor der Unterschrift des Vertrags wurde uns noch gesagt, dass wir nur wiederzukommen bräuchten – dann könne der Vertrag verlängert werden“, sagt Max (Name geändert), 32 Jahre, der seit der Gründung des Rummelplatzes vor einem halben Jahr in der Bauwagensiedlung lebt. Ende März aber sei der Brief mit der Nachricht gekommen, dass der Vertrag nicht verlängert werde. Die Begründung: Das 2.200 Quadratmeter große, unbebaute Gelände soll zum Verkauf ausgeschrieben werden.
Die Situation, kurzfristig auf der Suche nach einem neuen Platz zu sein, ist nicht neu für die Wagenburger. Ins Leben gerufen wurde die Siedlung bereits 2010 in Rummelsburg. Das dortige Gelände mussten die Bewohner allerdings verlassen, nachdem der Besitzer in die Insolvenz gegangen und das Gelände unter Zwangsverwaltung gestellt worden war. Mithilfe des grünen Bezirksbürgermeisters Franz Schulz konnten die Wagenburger im Dezember 2011 einen Mietvertrag über das jetzige Gelände in Friedrichshain unterzeichnen. 450 Euro im Monat kostete die Miete.
Der Liegenschaftsfonds, der bezirkseigene Grundstücke verwaltet und verkauft, bestreitet, dass es für das Grundstück in der Friedenstraße jemals eine Option auf Verlängerung des Vertrags gegeben habe oder diese gar den Bewohnern in Aussicht gestellt wurde. Die Wagenburg sei nur eine temporäre Zwischennutzung gewesen. „Von Anfang an war geplant, das Grundstück in diesem Jahr zu verkaufen“, sagt Anette Mischler, Sprecherin des Liegenschaftsfonds. Der Fonds sei rechtlich dazu verpflichtet, das Gelände zu verkaufen – und könne den Vertrag mit der Wagenburg nun gar nicht mehr verlängern. Man habe den Rummelplatz-Bewohnern allerdings bereits mehrere alternative Grundstücke etwa in Tegel angeboten: „In Friedrichshain-Kreuzberg oder Mitte haben wir nichts mehr.“
Früher gehörte das Gelände in Friedrichshain einmal dem Bezirk, der es dann an den Liegenschaftsfonds verkauft hat. Bezirke, so Mischler, seien dazu verpflichtet, die Grundstücke abzugeben, sofern diese nicht fachlich genutzt würden. Unter einer fachlichen Nutzung versteht man beispielsweise den Bau einer Schule oder eines Kindergartens – etwas, das der Kommune dient. Sofern der Bezirk eines der abgegebenen Grundstücke wieder fachlich nutzen will, kann er es vom Liegenschaftsfonds zurückfordern. Der Erhalt einer Wagenburg, so Mischler, gehöre nicht dazu.
Hans Panhoff, grüner Stadtrat für Grünflächen und Immobilien in Friedrichshain-Kreuzberg, macht den Bewohnern dahingehend ohnehin keine Hoffnung: „Wir haben gar keine Verwendung für das Grundstück. Es stand nie zur Debatte, es dem Liegenschaftsfonds wieder abzukaufen.“ Panhoff sieht eher die anderen Bezirke in der Pflicht: In Friedrichshain-Kreuzberg gebe es ja bereits vier Wagenburgen.
„Laster und Hänger“
Erst im April hatte die Bezirksverordnetenversammlung mit den Stimmen von Grünen, Linken und Piraten beschlossen, dem Bauwagenplatz „Laster und Hänger“ an der Modersohnstraße einen Mietvertrag über zehn Jahre zu geben, der zweimal um jeweils fünf Jahre verlängert werden kann, wenn der Bezirk zustimmt. „Das war aber nur möglich, weil dem Bezirk dieses Grundstück noch gehört“, so Panhoff. Außerdem soll das Grundstück langfristig fachlich genutzt werden, ein Sportplatz soll entstehen – für den derzeit aber noch kein Geld da sei. Darum durfte die Wagenburg, als Zwischennutzer, bleiben.
Wenn die Bewohner des Rummelplatzes nun ihre Brache verlassen, dürfen sie mit ihren Wagen nicht einmal auf einer Straße stehen: Die Bauwagen haben gar keine Straßenzulassung. Wo sie künftig hinsollen, ist noch unklar. Bislang sind nur drei der insgesamt sieben Wagen bei anderen Wagenburgen untergekommen. „Die Plätze sind überfüllt, weil die Nachfrage so groß ist“, sagt Max. Ein Grund dafür sei der immer knapper und teurer werdende Wohnraum.