Lübecker Fußball-Regionalliga-Duell: Das neue alte Stadtderby

Erstmals seit 32 Jahren trafen Lübecks Fußball-Kontrahenten aufeinander. Gast und Außenseiter Phönix erkämpfte einen Punkt gegen den VfB.

VfB-Block mit Pyrotechnik

Nicht nur mit Gegenständen werfen, auch zündeln können die VfB-Ultras Foto: Imago/Hübner

LÜBECK taz | Er baut sich auf, zeigt seinen Bizeps: In Siegerpose verharrt Kubilay Büyükdemir kurz vor dem Block der VfB-Ultras. Der Mittelfeldspieler von Phönix Lübeck hat gerade, nach einem vertändelten Ball des VfB, von der Strafraumkante ein Tor erzielt: Der Ball wurde zu einer Bogenlampe abgefälscht, schlug an den Innenpfosten und ging von dort rein.

Der Treffer ist der Ausgleich für die selbsternannten Phönix-Adler. Büyükdemir fliegen Bierbecher und Feuerzeuge entgegen. Gemeinsam mit seinen Mitspielern dreht er noch eine halbe Runde durchs Stadion und freut sich über weitere Pfiffe und Buhrufe. Der Schiedsrichter des Regionalliga Nord-Derbys zeigt ihm anschließend die gelbe Karte – wohl wegen unsportlichen Jubelns.

Früher kamen Zehntausende

Es war Freitagabend: das 140. Stadtderby von VfB Lübeck und Phönix Lübeck – und das erste Punktspiel zwischen den beiden Mannschaften seit 32 Jahren. Ein Duell, das in den 1950er- und 1960er-Jahren Zehntausende Zuschauer anzog. Das Duell zwischen dem früher als elitär geltenden Phönix aus der Einfamilienhaussiedlung und dem VfB, hervorgegangen aus einem Arbeiterverein.

Entsprechend gab es immer schon Popularitätsunterschiede zwischen den beiden Vereinen, die noch heute standhalten: Knapp 5.800 Zuschauer waren gekommen, um das Spiel im VfB-Stadion an der Lohmühle anzusehen; davon nur wenige hundert für die Gäste von der anderen Seite der Stadt.

Phönix-Sportdirektor Frank Salomon sagt, dass „lange Zeit Welten zwischen den beiden Vereinen“ lagen: „Phönix ist eher der vergessene Club.“ Das liegt wohl auch daran, dass der älteste Fußballverein der Stadt seinen sportlichen Höhepunkt bereits 1927 mit dem dritten Platz bei den norddeutschen Meisterschaften hatte.

Der Kontrahent VfB wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von ehemaligen Mitgliedern von SV Polizei und dem von den Nazis verbotenen Arbeiterverein „BSV Vorwärts“ gegründet. Um die sportliche Vorherrschaft kämpfte man vor allem in den zwanzig Jahren danach, als beide Vereine erstklassig spielten. Historisch hat der VfB in den Derbys deutlich die Nase vorn: 79 Siege für ihn und nur 37 für Phönix. Salomon sah im 140. Derby auch ein „David gegen Goliath“-Duell.

„David gegen Goliath“

Und David konnte zufrieden sein: Das Spiel endete in einem 2:2-Unentschieden. „Torraumszenen, Tempo, Nickeligkeiten“, beschrieb Phönix-Trainer Daniel Safadi das Derby – „so, wie man sich das gewünscht hat“. Mit Nickeligkeiten umschrieb er galant harte Grätschen, zwei Rudelbildungen und kleine Schubsereien.

Safadis Team zeigte den höheren Einsatz, was wohl auch daran lag, dass zehn Spieler im Phönix-Kader mal beim VfB spielten und dort nicht zum Zuge kamen. Wie Torschütze Büyükdemir sahen sie ihre Chance, dem Ex-Verein zu zeigen, dass sie zurecht auf dem Platz standen. So sagte Sportdirektor Salomon im Vorfeld: „Sie wollen zeigen, dass sie es verdient haben, sich in der Regionalliga zu beweisen.“

Für Phönix war es ein langer Weg zurück in die Regionalliga. Finanzielle Nöte und sportlicher Niedergang plagten den Verein, sodass er sich irgendwann in der siebtklassigen Kreisliga wiederfand. Von da kletterte der Verein wieder nach oben. Nach über 40 Jahren spielten sie in der vergangenen Saison zum ersten Mal wieder viertklassig. Bergauf ging es besonders, nachdem sie 2019 Verstärkung vom Timmendorfer Strand erhielten.

Der NTSV Strand 08, mehrfacher Meister in der Oberliga Schleswig-Holstein, meldete in dem Jahr nicht für die Regionalliga. Daraufhin wechselten Trainer Safadi, Förderer und Trainerpartner Salomon sowie ein großer Teil der Mannschaft zu Phönix, um dort den Traum der Regionalliga zu verwirklichen. Mit der finanziellen Unterstützung Salomons und der sportlichen Klasse der Neuzugänge gelang 2020 der Aufstieg.

Kurzer Ausflug in die Dritte Liga

Dem VfB gelang es hingegen trotz zweier Insolvenzen 2010 und 2012 meist, in der Regionalliga zu spielen – letzte Saison unternahm er sogar einen Ausflug in die Dritte Liga. Obwohl der VfB also in der Favoritenrolle steckte, so schnell wie möglich zurück zum Profifußball will und von seinen Fans laut unterstützt wurde, waren die VfB-Spieler nicht so in Derbylaune.

Trainer Lukas Pfeiffer fehlte die Leidenschaft und fand, dass seine „Spieler an solchen Spielen wachsen“ sowie „verinnerlichen müssen, was gefordert wird“. Das gelang nicht ganz, obwohl er und seine Co-Trainer nach eigener Aussage in der Woche zuvor den Spielern die Historie „nahegebracht“ haben, was zur „Identifikation“ mit dem Verein beigetragen habe.

Die Geschichtsstunden haben nicht gefruchtet. Der VfB steht nach dem Derby auf Platz fünf in der Tabelle, Phönix drei Plätze dahinter. Das wiederbelebte Derby steigt im Februar das nächste Mal. Es birgt die Chance, fußballerische Höhepunkte in einer Stadt zu bieten, die in dieser Sportart nie großen Erfolg hatte.

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