: „Wer Böses will, der schafft es“
Menschenmengen lassen sich vor Terror kaum schützen. Nicht in der U-Bahn und schon gar nicht während Großereignissen wie der Fußball-WM 2006
AUS BERLIN KAI BIERMANN
Im Mai erst hatten Bund und Länder ein Sicherheitskonzept vorgestellt, das Deutschland bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 vor Terrorakten schützen soll. Angesichts der Anschläge von London wird klar, wie wichtig es ist. Großveranstaltungen sind, genau wie Großstädte, durch Anschläge ernsthaft bedroht. Doch lassen sie sich überhaupt ausreichend bewachen?
Die klassische Antwort von Sicherheitsexperten darauf lautet: Hundertprozentigen Schutz gibt es nicht. Was soviel heißt wie: Nein. Das Problem dabei ist, dass zu viele „weiche Ziele“ existieren, also Orte, die normalerweise nicht über Sicherheitsvorkehrungen verfügen und an denen diese auch nicht installiert werden können. Bundeskanzler Gerhard Schröder, der die Anschläge „auf das Schärfste“ verurteilte, sagte, es zeuge von der besonderen Menschenverachtung der Attentäter, wenn durch Anschläge Unschuldige getroffen würden. Doch genau diese sind das Ziel von Terroristen. Sie wollen symbolhafte Orte treffen und möglichst grauenvolle Bilder erzeugen.
Öffentliche Plätze, Verkehrsknotenpunkte, Stadien – jeder Ort, an dem sich viele Menschen bewegen und der frei zugänglich bleiben muss, ist gefährdet. Und das sind viele. Zur WM erwartet Deutschland 3,2 Millionen zusätzliche Besucher. Vergleichsweise leicht ist es da noch, Sportarenen abzuriegeln. Der Zugang zu ihnen wird streng reglementiert sein. Busse, Bahnen und öffentliche Plätze dagegen können nicht abgeschottet werden. Anschläge darauf lassen sich auch in Deutschland kaum verhindern. Wer das öffentliche Verkehrsnetz treffen wolle, werde es auch können, sagte gestern der Sprecher der Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main, Bernd Conrads. „Wer Böses will, der schafft es.“
Im „Nationalen Sicherheitskonzept Fifa – WM 2006“ soll vor allem eine umfangreiche Videoüberwachung der Innenstadtbereiche mehr Sicherheit bringen. Ziel ist es laut Innenminister Otto Schily, unter den erwarteten Besuchern Hooligans, aber auch bereits bekannte Kriminelle und Straftäter rechtzeitig zu identifizieren. Doch ist das kein absoluter Schutz. Es wird kaum möglich sein, Bombenleger zu finden, wenn sie vorher nie aktenkundig wurden.
Außerdem will man die Grenzen schärfer kontrollieren und mehr mit ausländischen Sicherheitsdiensten zusammenarbeiten. Das Innenministerium richtete in Berlin auch ein Nationales Informations- und Kooperationszentrums (NICC) ein. In diesem Lagezentrum arbeiten Experten deutscher Geheimdienste gemeinsam mit Bundeswehr und Polizeibehörden. Schneller Informationsaustausch ist wichtig, um von Bedrohungen zu erfahren. Ebenso wie die Fähigkeit, schnell Informationen zu bekommen. Dazu wurde etwa ein Roboter angeschafft, der nach einem Anschlag „erschnüffeln“ soll, ob die Gefahr einer atomaren, biologischen oder chemischen Verseuchung besteht. Attentate lassen sich so nicht verhindern.
Überhaupt sind die Beteiligten sehr vorsichtig mit Aussagen darüber, wie gut sich solche Großereignisse schützen lassen. Beim Organisationskomitee der WM 2006 hieß es dazu gestern: „Kein Kommentar.“ Eines der effektivsten Mittel ist immer noch massive Polizeipräsenz auf der Straße. Streifen, Patrouillen, Kontrollen an allen sensiblen Punkten werden daher zur Tagesordnung gehören, auch wenn Schily immer wieder betont, man wolle nicht den Eindruck eines Polizeistaats vermitteln. Die Länderinnenminister zumindest haben für die Zeit der WM der Polizei bundesweit Urlaubssperre verordnet.