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„Schreibt weiter“

Bei der Vorstellung der neuen Wochenend-taz in Hamburg zeigen die Genoss*innen einmal mehr, dass sie der taz die Stange halten. Und dass ihre Bereitschaft zu Neuem nicht zu unterschätzen ist

Von Friederike Gräff

Es war nahezu ein Verhältnis von 1 zu 1 am Mittwochabend im „Haus 73“ in der Hamburger Schanze. Also nahezu gleich viele Menschen aus der taz und Genoss*innen, die hören wollten, was es auf sich hat mit den Veränderungen, die bei der taz nord, aber auch in der gesamten taz anstehen. Ein guter Betreuungsschlüssel, könnte man sagen – tatsächlich vor allem ein Ausdruck des Gefühls, das die taz derzeit hat: dass sie sich verändert, teils aus eigenem Antrieb, teils aus Überlebensnotwendigkeit. Das seltsame Wort Transformation fällt inzwischen bei hausinternen Treffen in nahezu jedem fünften Satz.

Was die Genoss*innen, also diejenigen, die die taz finanziell tragen, von diesen Veränderungen halten, sollte dieser Abend zeigen. Und deswegen waren von taz-Seite so viele gekommen: aus Chefredaktion, Geschäftsführung, Produktentwicklung, Marketing und taz nord. Und natürlich gab es Präsentationen, die zeigen sollten, wie ein paar der Veränderungen praktisch aussehen werden: die neue Wochenendausgabe mit einem größeren politischen Teil, in der taz nord und taz berlin eine ebenso überraschende wie auch vielversprechende Ehe namens „stadtland“ eingehen. Und die neue taz nord, die unter der Woche künftig keine Bremer oder Hamburger Lokalseite, sondern vier Nord-Seiten haben wird.

Man könnte sagen, die taz hielt den Genoss*innen einen noch schrumpeligen Säugling unter die Nase und fragt: Wollt Ihr Patinnen und Paten sein? An drei Tischen konnten sich taz und Genoss*innen austauschen: über die neue taz nord, über das neue Wochenende, über die taz-App. Am Tisch der taz nord, draußen auf dem Balkon, kam ein bisschen Wehmut auf. „Ich lese die Zeitung von hinten nach vorne“, das sagten einige Genossen, also als erstes die Hamburg-Seite. „Wir brauchen eine alternative Berichterstattung über Hamburg“, sagt einer.

Die besten Hamburger Themen findet ihr ohnehin auf den vorderen Nord-Seiten, das war der Trost von Jan Kahlcke, dem Co-Chef der taz nord. Leicht gefallen ist die Entscheidung nicht. Aber die Ressourcen reichen im Norden nicht für Transformation, Online-Auftritt und je eine Lokalseite in Bremen und Hamburg. Um so mehr Kraft soll in die Texte selbst gehen.

Was man auf dem Balkon auch noch lernen konnte: wie unterschiedlich die Prioritäten sind. „Mir fehlt die Hamburg-Seite gar nicht“, sagte eine Genossin aus Osnabrück, die stattdessen die Texte eines neuen Autoren aus der Stadt lobte. Die Genoss*innen lesen genau, das wurde ebenso klar. Und einige sind, auch wenn viele sich als Papierfans bezeichneten, durchaus offen für die neuen Formate. Wie sie mit F-Droid die taz-App herunterladen könne, fragte eine Genossin am Tisch der Produktentwickler*innen. Deren Bezeichnung war einer der Begriffe, den die taz-Leute ausführlich und auch ein bisschen entschuldigend erklärt hatten, um keine falsche Nähe zur Welt der Gewinnmaximierung aufkommen zu lassen. Ein Genosse plädierte dafür, die Vertriebswege der schwindenden Papierauflage möglichst lange zu unterstützen. „Wie viel Produkte braucht die taz denn, um zu überleben?“, fragte er und schickte gleich einen Appell hinterher: „Back to the basics.“

„Wir sind alles Zeitungsmenschen“, sagte Lena Kaiser, zuständig für die App-Entwicklung. Aber um überhaupt weiter Zeitung machen zu können, müsse man E-Paper und App weiter vorantreiben. 2018 war die Prognose, dass drei Jahre später die Abozahlen der Papierzeitung so gering sein würden, dass sich der Vertrieb nicht mehr lohnte. Ganz so schlecht ist es nicht gekommen, aber die Tendenz ist klar. Um zu überleben – dann auch als Papierwochenzeitung – müssen die digitalen Kanäle der taz so gut werden, dass auch über sie verlässlich Geld verdient wird. So paradox es klingt: Wer weiter Papier will, muss in den digitalen Apfel beißen.

Aber erst einmal kommt das neue Wochenende, und da war die Vorfreude ziemlich greifbar. „Besser, schöner, politischer“, so hatte Co-Chefredakteurin Ulrike Winkelmann sie angekündigt. „Sie soll das Gefühl geben, die Nachrichten, die in politisch bewegten Zeiten auf einen einprasseln, einordnen zu können“, meinte Malene Gürgen, die das Konzept entwickelt hat.

„stadtland“, der Titel für den neuen gemeinsamen Wochenendteil von taz berlin und taz nord, war intern heftig umkämpft – bei den Genoss*innen stieß er erst mal auf Zustimmung. Etwa bei einer Genossin, die, vom Land kommend, nun in der Großstadt lebt: Da hätte sie einmal beide Perspektiven.

Insgesamt, das wurde klar, ist da viel Wohlwollen gegenüber der künftigen taz. Selbst bei denen mit Abschiedsschmerz. Sie sind großzügig, diese Genoss*innen. „Schreibt weiter“, sagt einer beim Abschied, und das zumindest ist gesetzt.

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