Golfen beim Ryder Cup: Die Tiger-Woods-Krankheit

Für viele Golfprofis ist der Ry­der Cup das große Karriereziel. Dort können sie einmal in diesem Individualistensport Teamspirit erleben.

Portrait von Tiger Woods

Kein Grund zum Lächeln: die Bilanz von Tiger Woods beim Ryder Cup ist verheerend Foto: Charles Platiau/reuters

Vergesst die Majors, das Masters, all die billigen Alltagsturniere um Millionensummen. Ab Freitag ist Ryder Cup: Auflage 43, dieses Mal in Whistling Straits, Wisconcin. Das denkbar größte Golfspektakel steht an.

Darf ich das noch einmal erklären? Ryder Cup ist Golf nicht um viel Geld, fette Verträge, hässliche Pokale und Weltranglistenpunkte, sondern Mannschaftskampf: 12 US-Amerikaner gegen 12 Europäer. Es gibt 28 Matches: freitags und samstags je acht Doppel und am Schlusstag 12 Einzelduelle. Die Doppel werden in zwei Formaten gespielt: Mal spielen beide je Team abwechselnd mit einem Ball, mal spielt jeder seinen eigenen – und das jeweils bessere Ergebnis zählt. Wer als Team 14 Punkte erreicht, gewinnt. Gagen: keine. Motivation: Es den anderen zeigen!

Für fast jeden Profi ist der Ry­der Cup das große Karriereziel: Auf diese Ehre sind sie alle heiß. Einmal in diesem Individualistensport Teamspirit erleben, gemeinsam fiebern, brüllen, jubeln.

Und mit den Fans. Fußball­atmosphäre mit ein paar zehntausend Leuten drumherum. Ausrastende Spieler, Getobe und Geschrei, Choräle von den Tribünen, Adrenalin überall. Manchmal ist auch Gift dabei – so als verzückte US-Zuschauer mal vorzeitig die Grüns stürmten oder Spieler und Betreuer des Gegners anpöbelten.

Ryder Cup ist politisch

Kontinentalkampf heißt das. Was allerdings nicht ganz stimmt. Es spielen Europas Beste gegen das Team USA, also gegen ein Land. Kanadier sind nicht spielberechtigt, auch keine Mexikaner oder Chilenen. Also Alleinvertretungsanspruch von God’s own continent. Das Ganze ist 1927 erfunden worden, zunächst spielten nur USA gegen Großbritannien. Bis 1977 gewannen meist die USA, obwohl bald auch Iren zugelassen waren.

Erst seit 1979 ist Europa der Gegner. Ganz Europa übrigens, nicht EU, sonst wären in diesem Jahr erstmals Engländer wie Paul Casey und Ian Poulter nicht spielberechtigt und beim Nord­iren Rory McIlroy gäbe es Rechtsstreit. Somit ist der Ryder Cup auch politisch: Wo sonst wird „Europe, Europe!“ angefeuert? Und bislang hat Chefpopulist Boris Johnson seinen Landsleuten eine Teilnahme unter EU-Flagge, mit EU-Hymne und EU-Sternen auf der Ausrüstung nicht untersagt.

Erstmals spielt mit Bernd Wiesberger beim Titelverteidiger ein Österreicher mit. Martin Kaymer aus Mettmann, die abgesackte einstige Nummer 1 der Welt (derzeit Rangliste 96), ist einer der Vizekapitäne. Das sind die fünf Leute pro Team, die per Kart von Match zu Match sausen, taktische Tipps streuen, gute Zwischenergebnisse vermelden und für Stimmung sorgen wollen. Kaymer ist Fachmann für Whistling Straits – hier gewann er 2010 sein erstes Major-Turnier.

In den 80er Jahren drehten die Ergebnisse: Team Europa gewann von den letzten 17 Duel­len 12. Immer galten die US-Schläger als große Favoriten, weil sie die deutlich besser platzierten Cracks der Weltrangliste ins Rennen schicken. In diesem Jahr sind zehn der zwölf Amerikaner in der Top 15.

Aber der Teamgedanke! Er war schon immer das Manko der US-Individualisten. Selten funkte es untereinander, vielmehr setzte es Eifersüchteleien, Reibereien. Dabei hatten sie mal Psychogurus oder Veteranen des gerade aktuellen Kriegs einfliegen lassen – hat auch nichts genutzt. Aktuell sind Bryson DeChambeau und Brooks Koepka in herzlicher Antipathie verbunden. Koepka merkte gerade an, der Ryder Cup sei ihm zu hektisch, gegen alle Routine. Gleich gab es Forderungen, ihn aus dem Team zu werfen.

Tiger Woods war immer das beste Beispiel für das Teamversagen. Er war seit 1997 achtmal dabei, spielte oft schlecht und gewann nur einmal den Cup (1999). Mit sieben Niederlagen im Ryder Cup hält er den Rekord und machte sein Team durch Morbus Tiger zum Dauerloser.

US-Fans fürchten jetzt schon seine besten Wünsche aus der Reha. Die können nur Unglück bringen.

Aus Golfer-ABC der Vorurteile, heute V wie Veteranen: „Die Jagd nach der perfekten Runde ist doch Sisyphos. Gerade im Alter geht es bergab und wird immer würdeloser.“ Falsch: Oldie Bernhard Langer (einst siebenfacher Ryder-Cup-Sieger) hat auf der US-Seniorentour gerade erstmalig sein Lebensalter als Run­den­ergebnis gespielt: eine 64, genau an seinem 64. Geburtstag. Damit zählt er zu den seltenen „Age Shootern“.

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Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

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