Geborgen im Herzschlagrhythmus

Elektronische Musik an ungewohnten Orten: Ein Konzert von DJ Gigola in der Reihe „Listening Places“

Von Andreas Hartmann

DJ Gigola legt auf. Bei jeder Nummer, die sie spielt, merkt man ihr an, wie viel Spaß sie daran hat, endlich wieder ihrer Profession nachzugehen. Sie nickt dezent zu den Beats, macht elegante Handbewegungen zu den Rhythmen und lächelt.

Dabei spielt sie für ein Publikum, das nicht einmal gekommen ist, um zu tanzen, alle sitzen brav an ihren Tischen. Sie beginnt pünktlich wie die „Tagesschau“ um 20 Uhr, und bevor die „Tagesthemen“ starten, ist sie auch schon wieder fertig. DJ Gigola, die geborene Berlinerin ist und eigentlich Paulina Schulz heißt, performt im Rahmen einer Reihe, die sich das Onlinemagazin für elektronische Musik Groove ausgedacht hat, „Listening Places“. Die Idee dahinter ist „elektronische Musik an ungewohnten Orten“ erlebbar zu machen. So legten seit Anfang August bereits der Berghain-Resident-DJ Marcel Dettmann in der altehrwürdigen Liebermann-Villa am Wannsee auf und der ebenfalls eng mit dem Berghain verbandelte Efdemin in einer Moschee in Moabit. DJ Gigola nun ist in der Friedrichshainer Karaoke-Bar Monster Ronson’s Ichiban Karaoke zugange.

Sicherlich spielt bei den nicht alltäglichen DJ-Events auch eine Rolle, das Beste aus der Krise zu machen. Das Berliner Partyleben läuft zwar langsam wieder an, doch für die Szene prägende Clubs wie das Berghain haben ihre Pforten für das Partyvolk immer noch geschlossen. Der große Neubeginn der Berliner Clubkultur lässt noch auf sich warten. So versucht man nun, mit „Listening Places“, das vom Hauptstadtkulturfonds unterstützt wird, neue Wege zu gehen. Und zu zeigen, was DJ-Kultur sonst noch so kann, außer bloß ein auf Abfahrt programmiertes Publikum zu unterhalten.

Nimmt man nur DJ Gigolas mireißende Show zwischen DJ-Seminar und Spiegelung der eigenen Musiksozialisation, kann sie so einiges. Was die DJ macht, ist so simpel wie in der Wirkung umwerfend. Was auch an ihrer Gelassenheit und ihrem Charme liegt.

DJ Gigola spielt etwa das Stück „Set Adrift on Memory Bliss“ von der HipHop-Combo P.M. Dawn, das hörbar auf dem Schieber „True“ der englischen Band Spandau Ballet aufgebaut ist. Eine Nummer, die sie geprägt hat, wie sie erzählt. Danach kommt ein Dance-Track, der dem Standard bei jeder Ü-30-Party ebenfalls so einiges zu verdanken hat, und am Ende das Original selbst. Die Message: Schaut her, dank der modernen Sample-Kultur ist Musik aller Genres ständig miteinander verwoben.

DJ Gigola betont, wie faszinierend sie diese Intertexualität finde und wie anregend dafür, immer weiter und tiefer in die diversesten Klangwelten einzutauchen. Passend dazu trägt sie ein Hemd, auf dem Andy Warhols „Marilyn Diptych“ prangt, Marilyn Monroes von Warhol bearbeitetes Porträt in allen nur erdenklichen Farben. Der Künstler verfremdete ein Foto und machte es zu seinem eigenen Werk. Genauso funktioniert letztendlich ja auch die DJ- und Sample-Kultur.

Am Ende erzählt DJ Gigola noch, dass sie sich immer gefragt habe, warum sie ausgerechnet beim Bum-Bum im Club so ein Gefühl von Geborgenheit verspüre. Bis sie einmal Aufnahmen des Herzschlags eines Embryos im Mutterleib gehört habe. Die Beats ähnelten sich, sagt sie. Und zum Beweis legt sie Teile eines Techno-Tracks und danach einen Embryo-Herzschlagrhythmus auf.

Und was soll man sagen? Sie hat recht. Kein Wunder, dass sich alle so sehr danach gesehnt haben, sich im Club endlich wieder so richtig gut aufgehoben fühlen zu können.

Nächstes „Listening Places“: am 29. 9. mit Lakuti auf dem Tempelhofer Feld ab 18.30 Uhr