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Etwas, das in Erinnerung bleibt

Wie geht es weiter mit der Berliner Mode und der Mode an sich? Auf der Fashion Week zeigten diejenigen, die diese Pandemie überstanden haben, was sie in den letzten eineinhalb Jahren entworfen und genäht haben

William Fan fand seine Models auf der Straße Foto: Family__Resort

Von Marina Razumovskaya

Kommt nach all den Lockdowns jetzt das große Aufschließen? Zum Start der Fashion Week Herbst 2021 im Berliner Kraftwerk der „Berliner Salon“: Es sind kaum Menschen da, alles ruhig und gelassen, es gibt viel Platz, der industrielle Raum läßt einige ausgewählte Kleider, die Besten der Besten, strahlen.

Es gab bereits Gerüchte, die Berliner Mode sei gestorben. Aber gab es vielleicht in diesen anderthalb Jahren eine unvermutete Art Wachstum, samt Auslese, natürlich (Darwin) oder unnatürlich (Kapital)? Ja, sie lebt, die Berliner Mode! Ob sie an Menschen weiterleben wird oder als eine flüchtige Inspiration im Gedächtnis bleiben – das wird man sehen. Es geht wohl wie in dem Lied, das jeder Russin bekannt ist und eines Tages Nachhaltigkeits-Hymne werden könnte: „Und was folgt daraus? – Du mußt leben (zhit‘), nähen mußt du (schit‘), Sommerkleider aus leichter Baumwolle. – Und du glaubst, dass all das getragen werden wird? – Ich glaube, dass all das genäht werden muss.“

So zeigten letzte Woche diejenigen, die diese Pandemie überstanden haben, was sie in den letzten eineinhalb Jahren entworfen und genäht haben. Häufig stellte ich mir die gleichen Fragen: Wodurch werden wir nach der Pandemie unsere Individualität ausprägen? Wird es noch durch Kleidung sein oder eher durch eine Einstellung zum Leben, in dem Kleidung eine neue, veränderte Rolle spielt? Wird jetzt die Kluft zwischen Haute Couture und tragbarer Mode noch größer? Oder ist endgültig die Zeit der Kleingruppen-Individualisten gekommen?

Immer noch gibt es auf der Fashion Week mehrere, hierarchisch organisierte Plattformen: das offizielle Programm der MBFW, die NEO Fashion mit ihren dreizehn Abschlusskollektionen aus dreizehn deutschen Hochschulen, dann die physischen Präsentationen und Installation vom Berliner Salon im Kraftwerk, die auch als Livestream zu sehen waren, und schließlich die zahlreichen Performances, Events, Shows, die Designer im Rahmen der Fashion Week an anderen Orten selbst organisierten.

Zwei junge Debütanten aus Hamburg, Bruder und Schwester Sebastian Steinhoff und Christina Fassbender, zeigten im Kraftwerk eine schlichte, absolut zeitgemäße Kollektion, einen Mix aus hanseatischer Strenge und den leuchtenden Farbakzenten einer Erinnerung an Ibiza, wo Christina einen Teil ihrer Kindheit verbrachte. Zu dynamischer, elektronischer Musik waren Midikleider aus fließenden Stoffen in Lila und Zitronengelb zu sehen, veredelt durch eine besondere Schnittidee: ein halbes, langes Hemd auf eine der beiden Schultern geworfen. Daraus entstand etwas, was in Erinnerung bleibt.

Andere Designer haben sich in der sozialen Isolation der Pandemiezeit der Natur genähert. Michael Sontag etwa, der in der Galerie in der Potsdamer Straße von seinen Models etwas anderes erbeten hat als sonst: Sie liegen auf einem weißen Teppich, langen Bahnen aus weißer Seide, aus der auch eine Art Baldachin gemacht wurde, zwischen mächtigen, meterhohen Pflanzen, grün und krautig mit leuchtend gelben Blütenspitzen. Die Models trugen keine Stoffe zur Schau, sondern saßen auf ihnen, um sie mit gelbem Blütenstaub, schwarzen Holunderbeeren und Rotwein zu bekleckern. Sontag, der seit langem seine Stoffe auch selbst färbt, wird mit den in der Performance veränderten Stoffbahnen weiterarbeiten und daraus Schnitte für einige Einzelstücke machen.

Der Liebling der Berliner Modeszene William Fan zeigte in den Wilhelm Hallen die Einheit von Künstlern mit den Menschen aus der Nachbarschaft. Die Kollektion heißt „Neighborhood“. Die soziale Distanz während der Lockdowns, die einige in die Natur führte, hat William Fan zum Wunsch geführt, seine Nachbarn kennenzulernen. Die Models wurden auf der Straße oder vor der Apotheke angesprochen. „Es gab keine Reisen und so wurde das Gegebene, der eigene Ort, zu meinem Fokus“, sagt er. Das neue Lebensgefühl zeige sich auch darin, „dass die Menschen wieder Lust haben, sich für den Alltag zurechtzumachen und sich festlich zu kleiden.“

Andere Designer haben sich in der Pandemiezeit der Natur genähert

Die gradlinigen und leicht taillierten Silhouetten in Fans Kollektion erinnern an die 1990er Jahre mit ihren floralen, schillernden Benzinschlieren-Motiven, oft sitzen sie auf Brokatstoffen, in mehreren Schichten, als zwei aufeinander getragene Mäntel. Auch kehrt die niedrige Taille zurück und der nackte Bauch, wie er in den späten Neunzigern und frühen Nullerjahren gern gesehen wurde. Dazu hochgeschlossene Stehkragen, wie aus Kostümen der Renaissance-Epoche, mit einem um den Hals gebundenen Kragenschmuck aus farbigen Plastikketten, ergänzt von Swarovski-Kristallen in Form von großen Tränentropfen.

Ein viertes Label: Susumu Ai, wurde 2018 von Alisa Menkhaus zusammen mit ihrem Bruder gegründet, der die Finanzen führt. Alisas Mutter ist Japanerin, ihr Vater Deutscher und der Name des Labels ist zusammengenäht aus dem Namen ihres Großvaters und den Anfangsbuchstaben ihres eigenen Namens. Er bedeutet auf japanisch soviel wie fortgesetzte Liebe. Alisas Mode nimmt Elemente aus der japanischen Tradition, aber deutet sie oft in etwas Funktionelles um. Ihre Schnitte sind schlicht und elegant, mit vielschichtigen, transparenten Blusen aus japanischer Baumwolle oder traditionellem Chirimen Stoff oder Variationen des traditionellen an der Taille gebundenen Obi-Gürtels. Alle Stoffe sind in Japan hergestellt, produziert wird im Weddinger Studio in Berlin. Alisas Kollektionen verbinden auf zauberhafte Weise die Kimono-Tradition mit ihrer starken Betonung der Umhüllung und feine, das Feminine betonende Akzente. Es entstehen Kleider, deren Feminität und Freiheit auch für die Postcorona-Europäerin tragbar werden.

Aber: Habe ich nun Antworten auf meine Fragen gefunden?

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