: Tafelsilber verscherbeln
In Bremen geht die Angst um, dass es bald keine staatliche Wohnungsbaupolitik mehr geben wird: Rund 43.000 Wohnungen der Gewoba, ehemals „Neue Heimat“, sollen unter den Hammer
Bei der Stadtteilinitiative der Wohnungsbaugesellschaft „Gewoba“ in Bremen stapeln sich Unterschriften-Listen. Die Initiative hat dazu aufgerufen, sich gegen einen Verkauf von Gewoba-Wohnungen zu wehren. Im Auftrag des Koalitionsausschusses beraten Bau- und Finanzsenator und auch der Bürgermeister Henning Scherf (SPD) die Vor- und Nachteile eines Verkaufs. Aus den alten Wohnungsbeständen der Neuen Heimat entstand die Gewoba, ihre Anteile liegen zu drei Vierteln beim Staat – es geht um 43.000 Wohnungen.
Grund für die Verkaufsabsichten ist die klamme Haushaltslage des kleinsten Bundeslandes, das 12,5 Milliarden Euro Schulden mit sich herumschleppt. Besonderes Problem sind Geldtricksereien aus vergangenen Jahren. 1997 hat der Senat 20 Prozent der Anteile zu Geld gemacht – die staatliche Bremer Investitionsgesellschaft (BIG) musste 113 Millionen Euro dafür an die Staatskasse abliefern. Ein klassischer Schattenhaushalt: Die BIG lieh sich das Geld bei der Bank. Die Gewoba schüttet zwar eine Dividende von 8,5 Millionen Euro jährlich aus, aber der BIG-Anteil reicht bei weitem nicht, um die Zinsen zu zahlen.
Viele Mitarbeiter und Mieter fürchten, dass der Staat bei einem Gewoba-Verkauf Einfluss auf die Entwicklung der Stadtteile verliert. Die Gewoba sorgt mehr als andere Wohnungsbaugesellschaften auch für soziale Projekte, die Sanierung der Wohnungen und Gestaltung der Außenanlagen. Über 60 Millionen Euro wurden allein im vergangenen Jahr investiert. „Die Gewoba gilt bundesweit als sehr leistungsstarkes Unternehmen“, sagt Joachim Wege, Verbandsdirektor des Verbandes Norddeutscher Wohnungsunternehmen.
„Es besteht große Gefahr, dass nach einem Verkauf nicht mehr in Modernisierung und Instandhaltung investiert wird“, fürchtet Bernhard Baumeister, Abteilungsleiter bei der Gewoba und Mitglied der Stadtteilinitiative. Die Angst geht um vor dubiosen US-Finanzinvestoren. Deutsche Banken mischen mit, weil sie Renditen von bis zu 20 Prozent einfahren. Das Interesse der Konzerne reduziert sich auf kurzfristige, möglichst lukrative Verwertung der Immobilien.
Bremen hat bereits schlechte Erfahrungen mit diesem Typ von Finanzinvestoren. Zwei ehemals kommunale Wohnungsbaugesellschaften wurden schon an Geldanlage-Fonds verscherbelt, Mitarbeiterstellen wurden abgebaut, bei der Instandhaltung wird kräftig gespart. „Wir hören von Mietern, dass dort nicht mehr viel für Wohnungen gemacht wird, von denen man sich keinen Profit verspricht“, sagen Betriebsräte der Gewoba.
Der Verkauf des Tafelsilbers im Wohnungsbestand ist in anderen Städten kein Thema. In Hamburg sind die ehemaligen Wohnungen der Neuen Heimat in den Besitz der Stadt übergegangen. Auch dort engagiert sich das Nachfolgeunternehmen aus Siedlungs-Aktiengesellschaft Hamburg und der Gesellschaft für Wohnen und Bauen in den Stadtteilen, zahlt wie die Gewoba eine Dividende in die öffentlichen Kassen. Von einem Verkauf redet in Hamburg niemand, auch in den großen Städten Niedersachsens werden kommunale Wohnungsbauunternehmen erhalten.
In Bremen mobilisiert das Thema seit Jahren die Mieter. Eine Entscheidung wird für den Herbst erwartet. kay müller