: „Ich bin keine Alibi-Frau“
Die CDU-Spitzenkandidatin Monika Grütters fordert mehr Unterstützung für Eltern, bessere Studienbedingungen und schärfere Sicherheitsgesetze
taz: Frau Grütters, Glückwunsch zu Ihrer Wahl als Spitzenkandidatin. Hat Angela Merkel Sie auch schon beglückwünscht?
Monika Grütters: Nein. Die hat weiß Gott Wichtigeres zu tun.
Wirklich? Dabei wird Ihnen ja ein gutes Verhältnis zur Parteichefin nachgesagt.
Die ganze Berliner CDU unterstützt Angela Merkel. Und ich werde mich auch weiterhin im Interesse der Stadt um einen guten Kontakt bemühen. Aber das ist nun wirklich nicht das wichtigste Thema. Die Berliner CDU ist eigenständig genug …
… und gilt als ziemlich provinziell. Sind Sie als deren erste weibliche Spitzenkandidatin mehr als eine Galionsfigur für eine Westberliner Männerriege?
Ich möchte auf keinen Fall als Alibi-Frau gesehen werden. Und fairerweise muss man auch sagen: Immerhin waren es Männer, die mich an diese Stelle gebracht haben.
Ihrer Parteifreundin Edeltraut Töpfer – außer Ihnen die einzige Frau – haben es die Delegierten schwerer gemacht. Sie hat es nur mühsam auf den noch aussichtsreichen Listenplatz 7 geschafft.
Es gibt auch Gegenbeispiele: die ostdeutsche Parteichefin und Kanzlerkandidatin Angela Merkel und die Brandenburger CDU-Spitzenkandidatin Katherina Reiche. Wir sind in mancher Hinsicht flexibler und moderner, als uns manche unterstellen.
Ihre Direktkandidatur in der PDS-Hochburg Marzahn-Hellersdorf ist nach Ihrer Wahl zur Spitzenkandidatin wohl erst recht Makulatur. Wie können Sie jetzt überhaupt noch Wahlkampf im Bezirk machen?
Dagegen muss ich mich aber heftig verwahren! Dort gibt es viel zu tun, und ich bin hoch motiviert. Außerdem gibt es dort auch sehr bürgerliche Gegenden. Etwa Mahlsdorf, Kaulsdorf und Biesdorf und in Hellersdorf. Mein zentrales Anliegen wird es bleiben, die beste Lobbyistin für meinen Wahlkreis zu sein.
Mit dem neuen CDU-Wahlprogramm werden Sie in Ihrem armen Wahlbezirk kaum Stimmen fangen können. Etwa mit der Forderung nach einem noch lockereren Kündigungsschutz.
Das sehe ich anders. Was ursprünglich einmal als Maßnahmen zu Gunsten der Arbeitnehmer gedacht war – Kündigungsschutz, regelmäßige Tariferhöhungen, immer kürzere Arbeitszeiten –, erweist sich seit Jahren als Hemmschuh für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Arbeitslose einzustellen. In Ostdeutschland ist diese Sicherheitsmentalität außerdem weniger ausgeprägt als im Westen.
Beim Thema innere Sicherheit lassen Sie in jüngster Zeit schärfere Töne von sich hören. Sind Sie doch keine Liberale?
Hierzulande durchkreuzt der Datenschutz derzeit die Sicherheitsanforderungen. Ein Beispiel: Nach den Londoner Anschlägen hat sich gezeigt, dass es bei der Zusammenarbeit zwischen Europol und nationalen Einrichtungen oft hakt, weil die Länderregelungen – etwa beim Datenschutz – sehr unterschiedlich sind. Wir sind es unseren Bürgern schuldig, sie, so weit es geht, vor Terror zu schützen. Das ist keine Frage der Liberalität.
Was können Sie als Kultur- und Wissenschaftsexpertin für die Hauptstadt leisten?
Eine Menge. Der Bund steckt mit 420 Millionen Euro ja mehr Geld in die Kultur in Berlin als das Land. Wir müssen angesichts schrumpfender Städte massiv in junge Menschen und deren Bildung investieren, um mit anderen Städten konkurrieren zu können. Noch leistet es sich Berlin, drei von vier Hochschulplatz-Bewerbern abzulehnen. Das muss sich ändern! Wir müssen junge Menschen und die künftigen Eliten an die Stadt binden.
Trotzdem wollen Sie Studiengebühren.
Ich will sie nicht, aber ich weiß, dass sie nicht zu verhindern sind. Deshalb müssen Bildungspolitiker die Bedingungen diktieren – und nicht Finanzpolitiker. Denn ansonsten besteht die Gefahr, dass die Länder die Studiengebühren einfach in ihren Etat gießen, anstatt sie zur Verbesserung von Lehre und Studium zu verwenden.
Ein noch größeres Wahlkampfthema ist die Kleinkindbetreuung.
Ich bin dafür, junge Familien bei der Kleinkindbetreuung zu entlasten. Der Staat sollte sich finanziell viel stärker als bislang bei den Kosten für Hort, Kita und Kindergarten beteiligen, um junge Familien und Mütter wirksam zu entlasten.
INTERVIEW: MATTHIAS LOHRE