Enteignungs-Volksentscheid: Jarasch will mit „Ja“ stimmen
Die Grünen-Spitzenkandidatin stellt einen Mietenschutzschirm vor und legt sie sich erstmals auf ihr Votum beim Volksentscheid am 26. September fest.
Neben Jarasch steht eins der neun Wahlplakate, die sie Mitte Juni vor weit weniger Presse vorgestellt hat. „Ein Grundrecht für Wohnen. Nicht auf Profite“, lautet der Schriftzug. Das ist auch die Grundidee ihres heutigen Themas. Wohnungsbesitzer sollen sich dem Gemeinwohl verpflichten: Sie sollen Mieten – wie beim Mietendeckel gedacht – auf fünf Jahre einfrieren, keine Umwandlung in Eigentumswohnungen, drei Jahre lang keine Dividenden ausschütten, stattdessen Gewinne in Instandhaltung, Sanierung und Neubau stecken.
Ziel ist es, dass, wie in Wien, 50 Prozent der Wohnungen in Landeshand sind oder fairen Vermietern gehören. Die Grenze zwischen fair und unfair verläuft laut Jarasch zwischen denen, die unter den Schirm kommen und denen, die das nicht tun. Sie wollte sich aber nicht auf einen Termin festlegen, wie lange ihr Angebot dafür gilt.
Als Anreize im Gegenzug schweben den Grünen vor allem Erbbaurechte, verringerte Zinsen, höhere Förderzuschüsse und erleichterte Bürgschaften vor – die aber private Firmen oftmals nicht benötigten. Der größte Anreiz ist ein Druckmittel: Wenn sich nicht genug Eigentümer unter dem Schirm sammeln, dann soll es doch zu Enteignungen kommen, wie sie Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen fordert. Die hatten die Grünen schon bei einem kleinen Parteitag vor zwei Jahren nicht ausgeschlossen, als Ultima ratio bezeichnet und das in diesem Frühjahr bekräftigt.
Über eine vergangene Woche vom Senat beschlossene Stellungnahme zum Enteignungsvolksentscheid gibt es Streit. Die Stellungnahme dient der Wähler*inneninformation und soll mit den Wahlunterlagen verschickt werden. Der Senat hatte darin die Entschädigungskosten für die ca. 226.000 Wohnungen auf „29 bis 39 Mrd. Euro“ beziffert. Die Initiative, die von Kosten zwischen 7,3 bis 13,7 Mrd. Euro ausgeht, sieht darin „dreiste Desinformation“. Der Senat beziehe sich auf den Marktwert der Wohnungen, eine Vergesellschaftung sei aber gerade kein Kauf nach Marktwert. Zudem würde der Senat eine Grunderwerbssteuer einberechnen, die bei einer Vergesellschaftung gar nicht anfalle. Die Initiative will nun prüfen, ob eine Verletzung des Sachlichkeitsgebots vorliegt – und „notfalls“ klagen, um damit den Versand der Broschüre in ihrer jetzigen Fassung zu verhindern. (tk)
Vor diesem Hintergrund soll Jaraschs Schirm offenbar eine letzte Chance für große Wohnungseigentümer darstellen, einer Enteignung zuvorzukommen. Sie hätten „die einmalige Chance, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen“.
Den Schirm, der nach ihren Worten die Rückendeckung der Parteiführung hat, zu dem es aber noch keinen Parteitagsbeschluss gibt, bezeichnete Jarasch als „rechtssicheren Weg“ zu einem besseren Wohnungsmarkt. Den Weg der Enteignung hält sie für langwieriger und durch Klagen erschwert – aus ihrer Sicht bringt das kurzfristig, anders als der Schirm, keine Verbesserung.
Jarasch und auch ihre neben ihr sitzenden Parteifreunde Katrin Schmidberger, die Mietenexpertin der Abgeordnetenhausfraktion und Jörn Oltmann, Baustadtrat in Tempelhof-Schöneberg, wiederholten mehrfach, nötigenfalls Enteignungen zu nutzen. „Es ist ein großer Verdienst des Volksentscheids, dass wir jetzt auf einem sehr guten Weg sind, das Primat der Politik zurückzuholen“, sagte Schmidberger. Auch Jarasch betont, die Enteignungsinitiative habe für den nötigen Druck gesorgt.
Die Grünen sehen auch nur bei einer von ihnen geführten Landesregierung genug Entschiedenheit: „Solange die Wohnungswirtschaft auf eine Regierung zählen kann, die ihr nichts abverlangt, wird sie keine ernsthaften Verhandlungen führen“, sagte Jarasch und verband das wenig später konkret mit den Namen Franziska Giffey und Kai Wegner, den Spitzenkandidaten von SPD und CDU.
Für den Fall, dass sowohl der Volksentscheid als auch ihr Schirm erfolgreich sind, sieht Jarasch keine Verpflichtung für Senat und Parlament, in dem vom Volksentscheid geforderten Gesetz zwingend Enteignungen festzuschreiben. Aus ihrer Sicht gibt ein Erfolg der Abstimmung – bei der es anders als beim Tempelhof-Entscheid 2014 nicht um einen konkreten Gesetzentwurf geht – nur vor: „Handle und ergreife die geeigneten Maßnahmen.
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