berliner szenen: Auf der richtigen Seite
Als ich ankomme, riecht es nach ausgekühltem Gras und auch der Himmel ist sommerlich: Nach 22 Uhr ist er dunkelblau und türkisfarben. Wir sind heute nicht allein am Gleis, und vertieft in der Umarmung hören wir ein Durcheinander an Mädchenstimmen, das an uns vorbeigeht.
„Sind wir auf der richtigen Seite?“, fragt eine.
Wir lachen und sie kichern, als sie uns entdecken.
„Wenn ihr auf unserer Seite seid, seid ihr auf der richtigen Seite“, sage ich nur für uns und wir lachen noch mal los.
Bevor wir ins Auto einsteigen, gehen wir die Straße runter, um uns die Pferde anzugucken. Weit entfernt sind sie Figuren im Dämmerlicht wie eine Aufnahme aus einem 35-mm-Film. Sie fressen und schnauben. Man hört auch Grillen zirpen, und ein Hund bellt, als wir uns dem Haus nähern, wo er zu wohnen scheint.
Am frühen Morgen des übernächsten Tages parken wir am gleichen Platz. Es hat die Nacht lang gestürmt, es ist trüb und die Wärme steigt aus dem Boden langsam zu uns. Nur in der Unterführung ist es kühler.
Jetzt sind wir doch auf der anderen Seite, könnten wir den Mädchen erzählen. Der Bahnhof ist leer, und der regionale Zug hat diesmal keine Sekunde Verspätung. Vielleicht ist es ja auch so besser: sich rasch verabschieden und sich noch eine Weile durchs Fenster angucken, ohne zu winken, bis der Zug losgefahren ist, und alles, was da war, aus dem Blickfeld verschwinden lassen.
Der Schaffner begrüßt mich, als würde er mich inzwischen erkennen, ich bezahle mein Ticket. Danach stecke ich mir die Kopfhörer ins Ohr und mache Musik an.
Als Erstes kommt das selbe Lied wie immer, als wäre es so programmiert. Ich höre es in Schleife, acht Haltestellen lang. Und dann bin ich wieder in Berlin.
Luciana Ferrando
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