Lukaschenko macht NGOs dicht

In Belarus lässt Machthaber Alexander Lukaschenko Dutzende Nichtregierungsorganisationen verbieten

Von Bernhard Clasen, Kiew

Die Repression in Belarus hat einen weiteren Höhepunkt erreicht. Ende vergangener Woche wurden nach Informationen der belarussischen Nachrichtenagentur Belapan über 50 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) von der Regierung verboten. Bei vielen der betroffenen Organisationen waren vor Kurzem Hausdurchsuchungen durchgeführt und leitende Mitarbeiter verhaftet worden. Auffallend an den Verboten ist, dass sie jetzt nicht nur unabhängige Medien, oppositionelle Kräfte und MenschenrechtlerInnen betreffen, sondern auch rein soziale und humanitäre Gruppen.

Die 2016 registrierte Gruppe Imena (Die Namen) etwa kümmerte sich um Obdachlose, Opfer häuslicher Gewalt, autistische Kinder und Waisenkinder. Das 2010 registrierte Büro für die Rechte von Menschen mit Behinderungen setzte sich für Barrierefreiheit im öffentlichen Leben und in Betrieben ein und ermöglichte einigen Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben in Wohnungen. Und das 2009 registrierte Zentrum für ökologische Entscheidungen warb öffentlich für eine umweltverträgliche Lebensweise, Energiesparen und Müllvermeidung. Lange war seine Expertise auch bei staatlichen Stellen gefragt.

Sofort nach Bekanntwerden der Verbote forderten mehrere belarussische Menschenrechtsgruppen wie Wjasna, Die Rechtsinitiative, das Belarussische Haus für Menschenrechte eine Rücknahme. Zugleich bitten sie internationale Organisationen „sich öffentlich zu den Handlungen der Machthaber zu äußern und alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um eine Änderung der Situation zu bewirken“.

Einige Betroffene sehen keinen Grund zur Panik. Verbote von NGOs seien weniger schlimm als die Jagd auf Journalisten und Aktivisten der jüngsten Zeit, meint sarkastisch ­Alexej Koslojuk von der ebenfalls verbotenen Menschenrechtsgruppe Human Constanta gegenüber euroradio.fm. Nun sei es eben an der Zeit, über schlankes Management nachzudenken.

Ein gutes Beispiel sei die Menschenrechtsorganisation Wjasna (Der Frühling). Trotz Verbot habe sie als nicht eingetragener Verein weiter gute Arbeit geleistet. Jaroslaw Bekisch vom Grünen Netz ergänzt, das Verbot habe viele Betroffene zu freieren Menschen gemacht, brachte doch die Registrierung stets auch gewisse Anpassungen an staatliche Erwartungen mit sich. „Die Abwicklung von zivilen Initiativen schwächt das Regime mehr als die Zivilgesellschaft“, meint Bekisch. Organisationen, die sich hatten registrieren lassen, hätten ihre Maßnahmen mit den Behörden absprechen müssen. Nun entfalle diese Kontrollmöglichkeit.

Viel pessimistischer sieht die Gewerkschaftsaktivistin Lisaveta Merliak aus Hrodna die jüngsten Verbote. „Ich fühle mich da an das Lied ‚Undzer shtetl brent!‘ aus dem Krakauer Getto erinnert. ‚Und ihr steht da und blickt um euch. Mit verschränkten Armen. Und unser Schtetl brennt‘,heißt es da,“ sagt die Gewerkschaftssekretärin der taz. Die betroffenen Organisationen würden eine große Lücke hinterlassen, „haben sie sich doch Themen angenommen, die den Staat nicht interessieren“. Merliak fürchtet, dass Parteien Ziel der nächsten Repressionen sein werden. „Und dann sind wir unabhängigen Gewerkschaften dran. Der Weg vom Terror zum Totalitarismus ist kurz.“