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Politik und Party

20.000 Menschen werden zum CSD am Samstag in Berlin erwartet. Bei der Großdemo steht in diesem Jahr die Politik im Vordergrund

Von Stefan Hunglinger

Ermutigend, ernüchternd, irritierend. Die Berliner Pridesaison 2021 bot ein gemischtes Bild. Ja, das war immer so, doch es gab auch Neues zu beobachten. Äußerst ermutigend etwa war der Zug Schwarzer Queers, Indigener, People of Color und ihrer Verbündeten, der am 26. Juni, zum Auftakt des Regenbogenmonats, in Kreuzberg startete. Mit deutlicher antirassistischer Botschaft („Niemand ist frei, bis nicht alle frei sind“) und diszipliniertem Verhalten, was den Infektionsschutz betrifft, hat diese Demo endgültig die jahrzehntelange weiße Dominanz im Berliner CSD-Business aufgebrochen.

Sie war Teil einer Sterndemo, deren Zentrum der Alexanderplatz bildete. Die beiden andere Demoarme, „East Pride“ mit Start in Prenzlauer Berg und die von Neukölln ausgehende „Queerschutz now“-Demo, fokussierten die Bewegung in der DDR und Solidarität mit osteuropäischen LGBTIs sowie den Erhalt queerer Infrastruktur in Berlin. Die Sterndemo selbst – flankiert von einem enorm vielfältigen Livestream – erwies sich als ein ermutigendes, zukunftsweisendes Modell für die Berliner Community, denn sie demonstrierte Verbundenheit bei unterschiedlichen Schwerpunkten.

Ernüchternd war später am Tag der Eindruck vom anarchistischen CSD am Kreuzberger Mariannenplatz, der vor allem der maskenfreien Druckabfuhr nach einer partyarmen Zeit zu dienen schien – nicht unähnlich der Entwicklung, die der Abend in der Hasenheide nehmen sollte. Dabei ist Feiern durchaus möglich, ohne politischen Anspruch und Infektionsschutz aufzugeben.

Das zeigten zum Beispiel die erste Berliner Trans* Pride und die ermutigende Marzahn Pride, die am 17. Juli zum zweiten Mal auf die Straße zog, um mit Fokus auf die russischsprachige Community Vorurteile abzubauen: gegenüber LGBTI, aber auch gegenüber einem Stadtteil, der bislang als nicht sonderlich queer-freundlich gilt.

Regenbogen & Doppelmoral

Verglichen damit konnte die plötzliche Regenbogeninflation irritieren, die sich, ausgelöst durch die epidemiologisch mehr als zweifelhafte Fußball-Europameisterschaft, bis weit ins konservative Lager ausbreitete.

Zuweilen schien es dabei mehr um eine Abwertung osteuropäischer Länder zu gehen als um Solidarität mit den Queers dort. Die Doppelmoral pinkwashender Großunternehmen trat deutlich zutage. Auch kamen die nicht gerade queerfreundliche Struktur des deutschen Männerfußballs sowie die überkommene Geschlechterbinarität des Sports in der Debatte kaum vor.

Gegen männliche Dominanz und für lesbische Sichtbarkeit gehen beziehungsweise fahren am Freitag hingegen Lesben und Co. beim Dyke* March auf die Straße. Traditionell findet diese Demo am Vorabend des „großen“ CSDs statt, der am Samstag durch die Stadt zieht.

Der CSD 2021 in Berlin

Freitag, 23. Juli 2021

19 Uhr, Dyke* March Berlin, Demo für lesbische Sichtbarkeit; Start am Brandenburger Tor, Ziel: Mariannenplatz in Kreuzberg.

Samstag, 24. Juli 2021

12 Uhr: Demo des CSD e. V. „Save our Community – Save Your Pride“, Start an der Leipziger Straße. Weiter am Brandenburger Tor vorbei zur Siegessäule. Endpunkt Urania

17 Uhr: Demo der Queers Against Racism and Colonialism Berlin „Internationalist Queer Pride for Liberation“; Start am Herrmannplatz

17 Uhr: Solipicknick der Freien Ungarischen Botschaft und von Mitte21. Treffpunkt: Café Uhu im Gleisdreieckpark

Sonntag, 1. August 2021

12 Uhr: Queerfeministische Kundgebung für den Erhalt des Køpi-Wagenplatzes am Mariannenplatz

Sonntag, 5. September 2021

12 Uhr: Grenzüberschreitende Frankfurt (Oder) Słubice Pride, Treffpunkt folgt.

(sah)

Doch auch die Parade des Berliner CSD e. V, die in Berlin eine Art Abschluss der Saison bilden wird, kommt in diesem Jahr anders daher. Mit Nasser El-Ahmad wurde im März zum ersten Mal eine Person of Color in den Vorstand des Vereins gewählt. Dieser hatte schon im vergangenen Jahr eine Alternativdemo initiiert, nachdem der Verein ausschließlich auf einen Livestream setzte.

Wesentlich kleiner als in der Vergangenheit war die Parade 2020, weniger kommerziell und politischer. Dieser Charakter soll erhalten bleiben, so scheint es. „Der CSD soll inhaltlich mehr eine Bühne sein und nicht nur eine Bühne haben“, sagte Patrick Ehrhardt vom Vorstand kürzlich.

32 politische Forderungen sollen im Fokus stehen, von der Einrichtung von LGBTI-Omdudsstellen durch alle zwölf Bezirke bis zur Abschaffung des „Transsexuellengesetzes“. Mit 20.000 erwarteten Teil­nehmenden könnte der Zug zwar weit größer werden als im ersten Pandemiejahr, Partywagen soll es aber auch diesmal keine geben. Um den Verzicht auf Alkohol wird gebeten, das Tragen einer Maske wird erwartet.

Solches gilt auch bei der Internationalist Queer Pride for Liberation, die am frühen Abend in Neukölln starten soll. In der Ankündigung der radikalen Komplementärdemo heißt es: „Wir setzen uns mit ganzem Herzen dafür ein, die Strukturen des weißen suprematistischen, kapitalistischen Patriarchats herauszufordern.“

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