Repression in Saudi-Arabien: Zwei sind wieder frei

Zwei prominente Aktivistinnen sind aus dem Gefängnis entlassen worden. Doch Be­ob­ach­te­r*in­nen sprechen schon von einer neuen Repressionswelle.

Eine Demonstrantion mit Mundschutz hält ein Plakat mit einem Foto der Aktivistin Samar Badawi

Neapel, Italien, 16. Juni: Stu­den­t*in­nen forderten die Freilassung von Ak­ti­vis­t*in­nen wie Samar Badawi Foto: Antonio Balasco/imago

BERLIN taz | Es ist eine gute Nachricht, zumindest vordergründig: Saudi-Arabien hat die beiden international bekannten Aktivistinnen Samar Badawi und Nassima al-Sadah freigelassen. Die Frauen, die seit fast drei Jahren hinter Gittern saßen, hätten das Gefängnis verlassen, teilte das Gulf Centre for Human Rights (GCHR) am Montag mit. Bereits im Februar war die Aktivistin Ludschain al-Hathlul freigelassen worden.

Die jüngsten Freilassungen seien jedoch nicht Teil einer breiteren Entwicklung, betont Joshua Cooper von der in London ansässigen Menschenrechtsorganisation ALQST gegenüber der taz. Dass Badawi und al-Sadah nun auf freiem Fuß seien, folge schlicht auf „den Ablauf der ungerechten Urteile gegen sie wegen ihres Menschenrechtsaktivismus“.

Zudem werde zumindest al-Sadahs Freiheit auch außerhalb des Gefängnisses stark eingeschränkt. „Wie Ludschain al-Hathlul hat Nassima al-Sadah weiter schwere Einschränkungen auferlegt bekommen, darunter ein fünfjähriges Reiseverbot“, so Cooper. Die Auflagen für Badawis Entlassung seien noch unklar.

Mit Ausreisesperren sowie politischen Betätigungsverboten versuchen saudische Behörden, Ak­ti­vis­t*in­nen zum Schweigen zu bringen. So hat man etwa von Ludschain al-Hathlul öffentlich nichts gehört, seit sie im Februar entlassen wurde.

Wie al-Hathlul waren sowohl Badawi als auch al-Sadah 2018 im Zuge einer Repressionswelle gegen Wortführerinnen der saudischen Frauenrechtskampagne festgenommen worden. Sie hatten sich unter anderem für die Aufhebung des Fahrverbots für Frauen und des Systems der männlichen Vormundschaft eingesetzt. Badawi hatte zudem für die Freilassung ihres Ehemanns Walid Abu al-Chair sowie ihres Bruders, des Bloggers Raif Badawi, gekämpft. Der Menschenrechtsanwalt Abu al-Chair war 2014 zu 15 Jahren Haft verurteilt worden.

Al-Sadah hatte sich als eine der ersten Frauen zu den saudischen Lokalwahlen aufstellen lassen. Ihr wurde unter anderem vorgeworfen, mit Stellen im Ausland zu kommunizieren, die Saudi-Arabien gegenüber feindlich eingestellt seien.

Neue Repressionswelle 2021

Badawis Festnahme hatte eine Krise zwischen Saudi-Arabien und Kanada ausgelöst. Nachdem die kanadische Außenministerin Badawis Freilassung gefordert hatte, verwies Riad den kanadischen Botschafter des Landes und rief den saudischen zurück. Zudem fror Saudi-Arabien ein Handelsabkommen mit Kanada ein.

Zeitgleich mit der Repressionswelle von 2018 hatte die saudische Führung um Muhammad bin Salman gesellschaftliche Reformen vorangetrieben. So wurde im selben Jahr das Fahrverbot für Frauen abgeschafft. Auch das Vormundschaftssystem – zentraler Stein des Anstoßes für saudische Frau­en­recht­le­r*in­nen – wird seitdem zunehmend ausgehöhlt, auch wenn die völlige Abschaffung nicht in Aussicht ist.

Cooper erinnert derweil an das Schicksal anderer Aktivist*innen. „Während die 2018 verhafteten Aktivistinnen inzwischen bedingt aus dem Gefängnis entlassen werden, bleiben viele andere saudische Ak­ti­vis­t*in­nen hinter Gittern“, sagt Cooper, der eine neue Repressionswelle in der ersten Hälfte dieses Jahres beobachtet.

„Allein in den letzten Monaten wurden mehrere Ak­ti­vis­t*in­nen zu Haftstrafen verurteilt, darunter Israa al-Ghomgham, Abdulrahman al-Sadhan und Mohammed al-Rabiah, der selbst 2018 im Rahmen des Crackdowns Saudi-Arabiens gegen Frauenrechtsaktivisten festgenommen worden war.“ Nach Angaben von ALQST beläuft sich die Freiheitsstrafe im Falle al-Rabiahs auf sechs Jahre; al-Sadhan und al-Ghomgham müssen zwanzig beziehungsweise acht Jahre ins Gefängnis.

Al-Sadhans Schwester, Areej Al-Sadhan, hat im März in der Washington Post schwere Vorwürfe gegen Saudi-Arabien erhoben. Ihr Bruder werde gefoltert mit „Elektroschocks, Schlägen, Auspeitschen, Aufhängen in Stresspositionen, Schlafentzug, Todesdrohungen, Beleidigungen, verbalen Demütigungen und Isolationshaft“. Areej Al-Sadhan ist US-Bürgerin. Ihr Bruder hat keinen US-Pass, ist aber Sohn einer US-amerikanischen Mutter. Die Biden-Regierung hat sich in dem Fall öffentlich bislang nur „besorgt“ gezeigt.

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