: Neues Spielsystem für den Ballbesitz
Fußball-Genossenschaften wären eine gute Alternative zum profitorientierten Sport
In den Anfängen der Coronapandemie zeigten sich die Fußballfunktionäre noch betroffen: Man wolle keine Extrawurst, sondern Demut üben und Maß halten. Doch nach einer Schamfrist ging man in den Profiligen wieder zum Geschäftlichen über: Kein Spielausfall mehr, kein Corona, keine Ausgangssperren, Reisewarnungen hin oder her. So kann es in unseren Augen nicht weitergehen. Es braucht Veränderungen, auch neue Strukturen, die dem Spiel und seinen Spieler*innen dienen. Eine Alternative sind für uns Fußball-Genossenschaften.
Zweck einer Genossenschaft ist die Förderung ihrer Mitglieder durch einen Geschäftsbetrieb. Das gemeinsam betriebene Geschäft muss immer einen Gebrauchswert (einen sachlichen Nutzen) für die Mitglieder haben. Gewinnerzielung und Maximierung von Profit kann niemals Zweck einer Genossenschaft sein. Dazu kommt der Grundsatz: Jedes Mitglied hat eine und nur eine Stimme, egal ob es einen Genossenschaftsanteil besitzt oder 1.000. Das unterscheidet die Genossenschaft von einer Kapitalgesellschaft, wo die Anzahl der Anteile über das Gewicht der Stimme entscheidet, aber auch von einem Verein, wo „Sponsoren“ etwa Einfluss über Sitze im Aufsichtsrat erhalten. Über eine Begrenzung des Erwerbs von Genossenschaftsanteilen wird die ganze Diskussion über die 50+1-Regel im deutschen Fußball gegenstandslos, weil ein Ausverkauf von vornherein unmöglich ist.
Da die Genossenschaft per definitionem ein Geschäftsbetrieb ist, kann sie im Unterschied zum Verein, dem wirtschaftliche Beziehungen eigentlich nur am Rande erlaubt sind, in seiner Satzung maßhaltende Regeln festschreiben. Zum Beispiel, dass Spieler*innen – auch Topstars – maximal das Zehnfache dessen verdienen dürfen, was der Angestellte mit dem niedrigsten Einkommen innerhalb der Genossenschaft verdient. Oder dass die Etats der Profiteams von Männern und Frauen in einer Genossenschaft bei gleicher Ligazugehörigkeit nicht um mehr als 10 Prozent differieren dürfen.
Und schließlich: Der Fortbestand einer Genossenschaft basiert auf der aktiven Teilhabe ihrer Mitglieder. Partizipation ist ein wesentlicher Bestandteil des kollektiven Betriebs. Der oft beklagte Identitätsverlust ist für die Fußball-Genossenschaft kein Thema, denn die Genoss*innen sind Eigentümer*innen, Aktive und Fans in einem.
Kollektivität, Gebrauchswertorientierung, gleiches Stimmrecht und Maßhalten stehen im Gegensatz zum herrschenden System im Fußball. Unseres Erachtens müssen diese Prinzipien nicht außen vor bleiben. Im Gegenteil: Wir fordern von DFB und DFL, dass sie neben Vereinen und Kapitalgesellschaften auch eingetragene Fußball-Genossenschaften zum Spielbetrieb zulassen. Das ist nicht gleich der ganze Kuchen, aber wir vertrauen auf die subversive Kraft der genossenschaftlichen Werte und Prinzipien – auch im Fußball.
Gesellschaftsspiele e. V. hat 2020 mit seiner Skizze eines genossenschaftlichen Fußballverbands den Utopie-Preis der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur gewonnen und arbeitet derzeit an einer Mustersatzung für eine Fußball-Genossenschaft. Wir freuen uns auf den Austausch mit interessierten Einzelpersonen und Fußballvereinen.
Dies ist ein Gastbeitrag von Greta Budde, David Hoffmann und Stephan Lahrem von Gesellschaftsspiele e. V., kontakt@gesellschaftsspiele.berlin
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