piwik no script img

Schachmatt für die Männerwelt

Die Dokumentation „Glory to the Queen“ porträtiert vier georgische Schachspielerinnen, die von den 1960ern bis heute aktiv sind

Erfolgreiches Olympiateam: Nana Iosseliani, Maja Tschiburdanidse, Nona Gaprindaschwili und Nana Alexandria (v.l.) Foto: Filmdelights

Von Wilfried Hippen

Die Netflix-Miniserie „Das Damengambit“ erzählt von einem weiblichen Wunderkind, das die Schachwelt erobert hat. Die Geschichte einer Frau, die die stärksten Schachspieler der Welt besiegt, wirkt dort wie eine feministische Utopie – umso mehr, weil die Serie wie auch ihre literarische Vorlage von Walter Tevis in den patriarchischen 1960er-Jahren angesiedelt ist.

Doch es gab nicht nur eins, sondern gleich vier reale Vorbilder für diese Großmeisterin, die die Männer schachmatt setzte. Nona Gaprindaschwili aus Georgien etwa gewann 1963 den Weltmeistertitel als beste Schachspielerin und sie war auch bei den Turnieren der Männer eine gefürchtete Gegnerin. Mit ihr begann die Blütezeit des Frauenschachs in Georgien. 30 Jahre lang waren Maia Tschiburdanidse, Nana Alexandria und Nana Iosseliani die stärksten Schachspielerinnen der Welt. Und da Georgien zur Sowjetunion gehörte, wurden ihre Erfolge von Moskau propagandistisch ausgenutzt.

Auch davon erzählt Tatia Skhirtladze in ihrem Dokumentarfilm „Glory to the Queen“. Doch vor allem konzentriert sie sich darauf, diese vier auch heute noch in der Schachwelt aktiven Frauen vorzustellen. Sie begleitet sie dafür auf Reisen zu Turnieren und zu Besuchen in Schulen, bei denen sie junge Schülerinnen ermuntern, Schach zu spielen. Die vier Frauen haben sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, und wenn sie zusammentreffen, ist neben ihrer Freundschaft immer noch die sportliche Rivalität zwischen ihnen zu spüren. „Weißt du noch, was du mir in Rio angetan hast?“, fragt Tschiburdanidse – und Gaprindaschwili tut so, als könne sie sich nicht erinnern an ihre siegreichen Züge vor mehr als 40 Jahren.

In Georgien wurden vor allem diese beiden Weltmeisterinnen gefeiert, Tausende von Mädchen heißen ihnen zu Ehren Nona oder Maia: Regisseurin Skhirtladze schneidet im Film immer wieder zu Porträtaufnahmen von georgischen Frauen, die so heißen, sich kurz mit ihren Berufen vorstellen und dann erzählen, wie sie zu ihren Vornamen kamen. Meist war der Vater ein Verehrer einer der Weltmeisterinnen, aber die Namenswahl war nicht immer freiwillig. So gab es in den 1970er-Jahren in einer Geburtsstation die Anweisung, dass alle neugeborenen Mädchen Maia genannt werden mussten. Und so ist dies nun der Name einer der gezeigten Frauen – deren Eltern einen ganz anderen wollten.

Skhirtladze lässt sich ein wenig zu viel Zeit damit, zu zeigen, wie ihre vier Heldinnen heute leben. Und wenn sie bei der Schacholympiade 2019 in Tiflis bei einer Gala alle zusammen in einer Stuhlreihe sitzen, ist dies Anlass für ein schönes Gruppenfoto, aber nicht viel mehr. Interessant ist ihr Film immer dann, wenn sie mit Archivmaterial aus den 1960er- bis 1980er-Jahren arbeitet und diese Propagandaaufnahmen selbst im Off kommentiert. Dabei zeigt sich eindrucksvoll, wie schwer es für die Männer damals war, diese Frauen als gleichrangige Gegnerinnen zu akzeptieren. Bei einer Homestory zeigt die Kamera etwa Gaprindaschwili beim Kochen für Ehemann und Sohn, obwohl sie nie eine Hausfrau in der Küche war. Die damals amtierende Weltmeisterin Tschiburdanidse wird als romantisches Blumenmädchen auf einer Wiese gezeigt. Und als Zweite bei einem Turnier bekommt Alexandria als Trostpreis vor laufender Kamera eine Puppe überreicht. Was hätte ein Mann dazu gesagt, wenn er in dieser Situation, sagen wir: ein Spielzeugauto bekommen hätte?

„Glory to the Queen“: Freitag, 20 Uhr, Hamburg, Markk – Museum am Rothenbaum. Karten müssen online gebucht werden: https://markk-­hamburg.de/veranstaltungen/steppen-seidenstrasse-glory-to-the-queen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen