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Archiv-Artikel

Geben und nehmen auf Augenhöhe

HANDEL Vom Lebensmittelmarkt bis hin zu Kleinkrediten für Existenzgründer: Die Genossenschaft ist eine Unternehmensform mit vielen Gesichtern. Ein hohes Maß an Mitsprache und Gestaltung verbindet die Akteure aus vielen Branchen

Eine eG kann mit geringerem Aufwand mehr Eigenkapital aufnehmen

VON TILMAN VON ROHDEN

„Bisher haben wir alles richtig gemacht.“ Von so viel Zufriedenheit hört man selten. Sie stammt von Klaus Kruse, der mit einigen Mitstreitern vor gut zwei Jahren Ethiquable gründete. Die Handelsgenossenschaft verkauft nach dem Vorbild der gleichnamigen französischen Mutter fair gehandelte Biolebensmittel und beliefert in erster Linie den Einzelhandel sowie regional agierende Handelsketten. Ethiquable ist eine Mitarbeitergenossenschaft.

Vorbildlich arbeiten

„Uns geht es darum, demokratische Prinzipien in unserem wirtschaftlichen Handeln umzusetzen“, sagt Vorstand Kruse. Maßgeblich sei das Nachdenken über globale wirtschaftliche Zusammenhänge gewesen: Hochentwickelte Länder hätten kaum ein Recht, demokratische Prinzipien wie Mitarbeitermitbestimmung in Entwicklungs- und Schwellenländern einzufordern, wenn sie diesen Grundsätzen nicht selbst genügten. „Die Gründung einer Genossenschaft ist aus unserer Sicht konsequent und die angemessene Antwort an unsere Handelspartner im Süden“, sagt Kruse. Von ihnen verlangt er als Voraussetzung für eine Handelspartnerschaft ebenfalls die Einhaltung demokratischer Mindeststandards. Akzeptiert würden von Ethiquable nur Kleinbauern, die sich oftmals zu Vereinigungen oder Genossenschaften zusammengeschlossen hätten.

Entwicklung im Fokus

Entwicklungspolitische Zusammenhänge scheinen oftmals bei der Gründung einer Genossenschaft für den fairen Handel eine Rolle zu spielen. Denn auch bei DWP, die ebenfalls faire Produkte importiert und in Österreich und Deutschland handelt, stand der Entwicklungsgedanke Pate bei der Gründung einer Genossenschaft. „Was wir von anderen erwarten, sollten wir auch selbst tun“, fasst Martin Lang von DWP die Diskussionen der Vergangenheit zusammen. Es gehe aber nicht nur darum, Vorbild für andere zu sein. „Mit dieser Unternehmensform organisieren wir ein hohes Maß an erwünschter Mitsprache und Gestaltung und binden alle beteiligten Gruppen des fairen Handels ein.“ Zudem sei DWP als Genossenschaft flexibler. „Bis 2005 war DWP eine GmbH. Für jeden neuen Eigenkapitalgeber musste unser Gesellschaftsvertrag neu aufgesetzt werden.“ Nach der Umwandlung in eine Genossenschaft sei es mit geringem organisatorischem Aufwand möglich, Eigenkapital aufzunehmen. Die knapp 300 Genossen würden mit ihren Anteilskäufen für eine solide finanzielle Basis sorgen. Der Schritt in Richtung Genossenschaft sei im Übrigen nicht allzu groß gewesen, denn schon als GmbH habe man sich im Unternehmen demokratischen Prinzipien verpflichtet gefühlt.

Ein Vergleich der beiden genannten Genossenschaften zeigt Unterschiede. Während Ethiquable nur vier Festangestellte hat und auf schlanke Strukturen setzt und beispielsweise das Warenlager und die Buchhaltung an Dienstleister abgegeben hat, verfolgt DWP einen integrierten Ansatz. Im eigenen Warenlager zählt der Geschäftsführer dieser Tage selbst die Gläser und Döschen anlässlich der Inventur. Das Verpacken und Versenden besorgen 50 bis 60 betreute Mitglieder der Bruderhausdiakonie, die tagein, tagaus im Lager arbeiten. Hinzu kommen 40 Festangestellte. Die Mitarbeiter erwirtschafteten zuletzt einen Jahresumsatz von 7,5 Millionen Euro. Bei der jungen Genossenschaft Ethiquable ist es bedeutend weniger. Ob es jemals so viele Mitarbeiter werden, erscheint fraglich, denn dort setzt man auf Effizienz und Outsourcing.

Die richtige Balance

Aus einer ganz anderen Perspektive nimmt Oikocredit Genossenschaften wahr. Selbst eine international arbeitende Genossenschaft nach niederländischem Recht, unterstützt Oikocredit sozial orientierte Mikrofinanzinstitutionen, Genossenschaften sowie mittlere und kleine Unternehmen in knapp 70 Ländern. Aus der regelmäßigen Zusammenarbeit mit Genossenschaften wisse man, dass „Genossenschaften kein Allheilmittel weder bei uns noch im Süden sind“, sagt Matthias Lehnert, Geschäftsführer des Förderkreises Hessen-Pfalz. „Entscheidend für den Erfolg einer Genossenschaft ist die Qualität der Zusammenarbeit von Mitgliedern, Vorstand und Aufsichtsrat.“ Dabei müsse eine Balance zwischen Handlungsfähigkeit und Mitsprache der Genossen gefunden werden. Oikocredit hat über 500 Millionen Euro Kredite ausgereicht. Hiesige Genossenschaften profitieren davon kaum. „Wir konzentrieren uns auf Entwicklungs- und Schwellenländer. Hierzulande haben Genossenschaften andere Möglichkeiten“, sagt Lehnert.

Hauptsache, fair

Bei dem Kölner Verein Transfair, der das Fairtrade-Siegel für den fairen Handel in Deutschland vergibt, heißt es, die wenigen Handelsgenossenschaften würden sich in der Zusammenarbeit nicht von den anderen Partnern unterscheiden. „Transfair steht hiesigen Genossenschaften positiv gegenüber, weil sie Menschen die Möglichkeit geben, selbstbestimmt zu wirtschaften und mitzuentscheiden“, sagt Claudia Brück, Mitglied der Geschäftsführung bei Transfair.