: Vier Jahre Haft wegen Beihilfe
RAF-PROZESS Verena Becker wird wegen Beihilfe am Mord von Generalbundesanwalt Siegfried Buback verurteilt. Der Tatverlauf bleibt ungeklärt. Richter kritisiert Wunschvorstellungen des Nebenklägers Michael Buback
■ Mord: Als Täter eines Mordes oder einer anderen Straftat gilt nicht nur derjenige, der sie unmittelbar ausführt.
■ Mittäterschaft: Komplizen, die nach einem gemeinsamen Tatplan arbeitsteilige Tatbeiträge leisten, zum Beispiel indem sie das Fluchtauto besorgen oder steuern, gelten als Mittäter.
■ Beihilfe: Bloße Beihilfe liegt dagegen vor, wenn jemand nur ganz untergeordnete Tatbeiträge leistet oder den Tatplan gar nicht kennt. Der Mittäter will die Tat als eigene, der Gehilfe will nur die Tat eines anderen fördern. Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ist bei der RAF besonders schwierig, weil angeblich alle Anschläge kollektiv beschlossen wurden. (chr)
aus Stuttgart CHRISTIAN RATH
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat Verena Becker wegen Beihilfe zum Mord verurteilt. Sie soll die Täter des RAF-Attentates auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine zwei Begleiter in ihrem Tatentschluss „bestärkt“ und „vehement“ auf eine baldige Ausführung der Tat gedrängt haben.
Siegfried Buback wurde im April 1977 von einem RAF-Kommando getötet. Der Prozess ergab jedoch nicht, wer damals geschossen hat oder wer das Tatmotorrad fuhr. Der Vorsitzende Richter Hermann Wieland ging anhand von Zeugenaussagen davon aus, dass das RAF-Kommando aus „drei Männern“ bestand. Das Gericht sah keinen Nachweis, dass Becker an der Tat selbst oder an der Vorbeeitug beteiligt war. Es liege daher keine Mittäterschaft Beckers vor, nur Beihilfe. Entscheidend für die Verurteilung Beckers war ihre Teilnahme an einem RAF-Treffen in Holland Anfang 1977, bei dem der endgültige Entschluss für den Buback-Mord getroffen wurde. Becker hatte gesagt, sie habe das Treffen vorzeitig verlassen. Das Gericht hielt das für ausgeschlossen. Die Richter stützten sich dabei maßgeblich auf Ex-RAF-ler Peter-Jürgen Boock. Dessen Aussage sei „sachlich und besonnen“ gewesen.
Harte Worte fanden die Richter für Nebenkläger Michael Buback, den Sohn des Opfers. Er hielt Becker für die Schützin und vermutete eine schützende Hand des Staates über Becker. Er habe die Beweise mit eine „Tunnelblick“ bewertet und dabei „Realität und Wunschvorstellungen vermischt“.
Das Gericht verurteilte Verena Becker zu vier Jahren Haft. Davon gelten aber zweieinhalb Jahre im Rahmen eines Härteausgleichs bereits als verbüßt. Damit wird berücksichtigt, dass die Verurteilung nicht schon in eine Gesamtstrafe mit anderen Mordvorwürfen, für die Becker 1977 bestraft wurde, einfließen konnte.
Noch ist offen ob Becker tatsächlich ins Gefängnis muss. Darüber wird wenn das Urteil rechtskräftig ist, eine Strafvollstreckungskammer entscheiden. Sie kann die Strafe nach zwei Dritteln der vier Jahre zur Bewährung aussetzen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Becker schon vier Monate in Untersuchungshaft saß. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass Becker die Reststrafe auf Bewährung erlassen wird.