Gesundheit statt Kirchtürme

Bis zu einer Million Arbeitsplätze im Gesundheitswesen sollen nach Meinung von Medizinern im Ruhrgebiet entstehen. Noch mangelt es den Akteuren aber an Koordination und Kapital

VON RALF GÖTZE

Röntgen, Tomographie, Ultraschall oder Endoskopie: Für jeden medizinischen Bildtyp benötigt Jörg Holstein eine Software. „Eine Schnittstelle für alles“ wollte der Medizinstudent vor fünf Jahren entwickeln. Mittlerweile hat sich seine Studenteninitiative in ein Bochumer Unternehmen mit 23 Mitarbeitern gewandelt – eines der Vorzeigebeispiele für die Gesundheitswirtschaft im Ruhrgebiet.

Ungefähr 280.000 Menschen arbeiten hier bereits im Gesundheitswesen. Innerhalb der nächsten zehn Jahre sollen nach dem „Masterplan 2.0“ landesweit weitere 200.000 Stellen geschaffen werden. „Aus schwatt mach weiß“, fasste Microtheraphieprofessor Dietrich Grönemeyer in einer Diskussionsrunde am Montag diesen Strukturwandel zusammen. In Zusammenhang mit der Industrie- und Dienstleistungsbranche könnten sogar bis zu „einer Million Arbeitsplätzen“ entstehen, stellt Grönemeyer in Aussicht.

Doch die Veranstaltung des Regionalentwicklungsvereins „pro Ruhrgebiet“ zeigte vor allem die Schwächen des Gesundheitswesens auf – fehlende Koordination. Selbst ein Insider wie Rolf Kinne als Direktor des Max-Planck-Instituts hat Probleme sich einen Überblick über die zahlreichen Programme von Krankenhäusern, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu verschaffen.

LifeTecRuhr-Geschäftsführer Uwe Kremer bescheinigte den Wissenschaftsstandorten „einen Hang zum Kirchturmdenken“. Das soll allerdings aus der Sicht der koordinierenden LifeTecRuhr in Zukunft ein Ende haben, indem einzelne Universitäten die Federführung für Forschungsbereiche übernehmen.

Das weite Feld der Diagnose- und Therapiegeräte soll dann von Bochum aus in die Hand genommen werden, erklärte Kremer. Dortmund kümmert sich um die Biotechnologie und -medizin. Duisburg-Essen koordiniert die Aktivitäten im Bereich „Spitzenmedizin“, also besonders aufwändige und hochspezialisierte Behandlungsmethoden. Kremer erhofft sich von dem gebündelten Know-How viele Unternehmensgründungen.

„Koordination ist zwar schön, aber ohne Kapital geht gar nichts“, fügt Vorzeigegründer Jörg Holstein kritisch hinzu. Allein mit der Landesförderung ohne einen risikofreudigen Privatanleger wäre sein Projekt wahrscheinlich weiterhin nur eine Idee geblieben.