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Archiv-Artikel

Münte mobilisiert Motivationslose

Der SPD-Chef will der Kapitän des Wahlkampfschiffe sein und setzt sich bewusst von der Linkspartei ab. Und auch die CDU bekommt ihr Fett weg. Doch ob sich die Wähler davon überzeugen lassen bleibt unklar auf dieser Wahlkampftour

bremen taz ■ Das Bild, das die SPD zeichnen will, ist klar. Sonst würde sie kaum ihren Parteivorsitzenden zu einer Schiffstour einladen und ihn ans Steuerrad lassen. „Der Kapitän ist an Bord“, ruft lachend der Landesvorsitzende Carsten Sieling und freut sich, dass er Franz Müntefering zum „Höhepunkt des Vorwahlkampfes“ begrüßen kann, wie es Sieling nennt.

Müntefering will Wähler gewinnen, doch zunächst sind die Journalisten dran, die gestern mit auf der Weser schipperten. Das Schiff tuckert voran und Müntefering nimmt Fahrt auf. Klar, denn es ist der Tag eins, nach CDU- Kanzlerkandidatin Angela Merkel ihr Wahlprogramm vorgestellt hat. Müntefering lässt daran kein gutes Haar. „Ungenügend“ sei das, und gelogen habe die CDU auch, wenn sie behaupte, dass die SPD die Lohnnebenkosten nicht gesenkt habe. Die Union wolle an die Renten ran und Atomkraftwerke länger laufen lassen. Unsozial geriere sich die CDU. Und die neue Linkspartei? Der SPD- Chef nennt sie schlicht PDS/ML und rückt sie in die Nähe von Marxisten.

So eine will die Sozialarbeiterin aus der Vahr keinesfalls sein. Sie hat sich einen guten Platz im Bürgerzentrum Neue Vahr und will den Auftritt des SPD-Vorsitzenden „einfach nur erleben“ – dabei weiß sie schon, dass sie ihn am 18. September nicht wählen wird. Sie gibt der Linkspartei ihre Stimme. Früher habe sie SPD gewählt, dann lange grün. Das ist jetzt vorbei für die Frau, die in der Flüchtlingshilfe tätig ist. „Ich bin eine Protestwählerin“, sagt sie. Doch den Müntefering will sie hören, „weil de interessant ist und schräger als andere Politiker“.

Bewusst kommt Müntefering hierher in den Bremer Osten, wo SPD-Stammwähler wohnen, wo aber auch viele anfällig für die Parolen der Linkspartei sind. Und Müntefering kämpft. Dass er einer ist, der das Malochen gelernt hat, verdeutlicht er in seiner Rede immer wieder. „Auf Firma“ – bei der Arbeit also – sollen die Menschen für die SPD werben, meint er und wiederholt den westfälischen Slang noch einmal als er merkt, dass die Menschen schmunzeln. Zwischenrufer bombardiert er mit Zahlen, was die SPD schon alles geleistet habe. Er versucht, die Menschen zu motivieren. Sie sollen SPD wählen, weil die als einzige Partei Sicherheit und Solidarität biete. Da klatscht auch die potenzielle Linkspartei-Wählerin aus der Vahr.

Angela Merkel habe gesagt, dass es dem Land so schlecht ginge wie noch nie zuvor, sagt Müntefering. „Stimmt ja auch“, ruft eine Frau aus den hinteren Reihen. Den SPD-Chef beeindruckt das nicht: „Merkel misstraut Deutschland. Wir aber vertrauen Deutschland.“ Spricht‘s und fordert das Publikum auf, für die SPD zu kämpfen – für den Erhalt der rot-grünen Bundesregierung. Und ein bisschen überzeugt er die Menschen im Saal des Bürgerzentrums.

Die Wählerin der Linkspartei macht Fotos, manche klatschen länger als nötig, die Zwischenrufe werden weniger. Wie hatte der Kapitän Müntefering noch auf dem Schiff auf der Weser gesagt, als er hinter dem Ruder stand? „Als ich dran war, da ging‘s rund.“ Genau. Morgen ist Franz Müntefering in München. Und wer übernimmt in Bremen das Wahlkampf-Steuer? Kay Müller