berliner szenen: Fußballfans bei über 30 Grad
Wir sitzen zu dritt in der Kastanienallee Ecke Schönhauser, unter dem Baum. Bei über 30 Grad sind wir zu faul zu reden. „Lass uns Leute beobachten“, schaffe ich vorzuschlagen. Aber auch dafür sind wir zu faul. Trotzdem können wir nicht vermeiden, eine Gruppe junge Frauen zu sehen, die einen Junggesellenabschied veranstalten. Sie steigen aus einer Limousine aus. Der Fahrer trägt Smoking und wir halten ihn für den Bräutigam. Wir lachen, sagen aber weiterhin kein Wort. Dann sehen (und hören) wir Dutzende vorbeifahrende Krankenwagen und Feuerwehrautos und stellen uns vor, dass bei der Hitze der Mauerpark brennt oder dass viele zu viel Alkohol und kein Wasser getrunken haben. Ein Cabrio überfährt fast einen Skater, der Fahrer (umgekrempeltes Hemd, verspiegelte Sonnenbrillen) schimpft hinterher, seine Begleiterin küsst ihn leidenschaftlich. „Wild!“, kommentiert eine von uns, aber auch für Ironie ist es zu heiß.
Was nicht zu übersehen ist, sind die Fußballfans, die in Kneipen und Spätis der Fernsehübertragung der Europameisterschaft folgen. Die Männer tragen keine T-Shirts, Schwarz-Rot-Gold ist überrepräsentiert. Wir wissen nicht einmal, gegen wen Deutschland spielt, aber jedes Mal, wenn die deutsche Mannschaft ein Tor schießt, jubeln alle herum. Es passiert ein paar Mal und wir verdrehen die Augen, dafür reicht die Energie. Dabei trinken wir Bier aus der Dose und essen Erdnüsse, der Nachmittag verläuft in Zeitlupe. Als ich merke, dass ich mich auf den Weg nach Neukölln machen muss, um das Freiluftkino nicht zu verpassen, kommt es mir vor, als müsse ich eine Reise zu einem fernen Kontinent unternehmen. Ein Trip voller Hindernisse, die die Form feiernder Menschen einnehmen. Dann fängt es an zu regnen und das macht alles besser.
Luciana Ferrando
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