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Nur positive Botschaften

Mit seinem „Golden Sneakers International Hip Hop Film Festival“ will der Hamburger Maximilian Spohr Hip-Hop jenseits gängiger Klischees zeigen. Die vierte Ausgabe findet nun online statt

Von Wilfried Hippen

In den Straßen von New York wird ein Afroamerikaner von einem weißen Cop angeschossen – doch das Opfer ist auch ein Polizist und schießt zurück. Nachts steigt ein Afrikaner an einen britischen Strand aus dem Meer und tanzt dort mit einem Ball aus Feuer, um seine Verzweiflung darüber auszudrücken, dass er angesichts des Rassismus auch dort nie wirklich frei sein kann. Zwei Roma aus Serbien leben in Deutschland als Wanderarbeiter mit einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung. Nach Feierabend verwandeln sie sich in die Rapper Skill und Buddy, die in ihrer Band „Gipsy Mafia“ gegen Fremdenhass und den neoliberalen Kapitalismus ansingen. Drei Filme, die aus der Hip-Hop-Kultur entstanden sind, aber nichts mit der oft sexistischen, fremdenfeindlichen und homophoben Gockelmusik zu tun haben, die kommerziell so erfolgreich ist.

„Equal Standard“ ist ein Spielfilm des Afroamerikaners Brenan Kyle Cochrane, in dem der Hip-Hop-­Veteran Ice-T mitspielt und der eine fast dokumentarische Momentaufnahme über das Lebensgefühl von schwarzen New Yor­ke­r*in­nen in diesen Zeiten liefert. „Still a Slave“ ist ein Kurzfilm des Breakdancers Nathan Geering, der in dem ältesten­ britischen Sklavenhafen More­campe gedreht wurde. Auf der Tonspur spricht eine Frauenstimme einen Trauerrap über den alltäglichen Rassismus und als Kontrapunkt dazu hört man die üblichen Sprüche von weißen Brit*innen, die begründen, warum sie ganz sicher keine Ras­sis­t*in­nen sind. Und in der Dokumentation „I Am What I Am – The Story of Gipsy Mafia“ kommt Andrijana Stojković mit ihrer unaufdringlich begleitenden Kamera den beiden serbischen Brüdern bei einer Tour in ihre Heimat und durch einige europäische Clubs sehr nah.

Die drei Filme werden auf dem „4. Golden Sneakers International Hip Hop Film Festival“ gezeigt, das zwischen diesem Freitag und Sonntag leider wieder nur online stattfindet. Der Hamburger Maximilian Spohr hat das Festival vor vier Jahren gegründet – damals­ lief es drei Tage lang im Hamburger Schanzenkino, wo sechzehn Filme in mehreren Sälen gezeigt wurden.

Bei 38 Grad Sommerhitze ging damals kaum jemand ins Kino, „aber immerhin gab es ein schönes Konzert auf der Reeperbahn“, erinnert sich Spohr, ein Hip-Hop-Fan, der während seiner Wanderjahre in New York ein Hip-Hop-Filmfestival besucht hatte und der Meinung war, so etwas sollte es auch in Deutschland geben. Dabei unterscheidet sich sein Verständnis von Hip-Hop radikal von den gängigen Prahlereien mit teuren Autos und kalkulierten Tabuverletzungen. Er nennt seine Veranstaltung ein „Film-Festival gegen Fremdenhass und Rassismus“ und hat ausschließlich Filme mit einer positiven Botschaft ausgewählt.

42 Filme stehen auf dem Programm. Für eine Flatrate von 15 Euro können sie über eine Festivalplattform abgerufen werden. Im vergangenen Jahr konnte Spohr die dritte Ausgabe des Festivals auch nur online, dafür aber noch kostenlos anbieten. Doch das Risiko, dass kommerziell attraktive Filme wie „Equal Standard“ illegal heruntergeladen werden und er dafür verantwortlich gemacht werden könnte, war zu groß.

Spohr ist in der internationalen Hip-Hop-Szene gut vernetzt, und so wird sein Festival wohl mehr Be­su­che­r*in­nen in den USA haben als in Deutschland. Doch diesen Vorteil der Online-Ausgabe des Festivals will Spohr­ gar nicht gegen die Nachteile aufwiegen, denn das gemeinsame Sehen, Reden und Streiten über die Filme sowie das gemeinsame Feiern machen ja den Kern auch dieses Filmfestivals aus. Im Sommer plant Spohr deshalb einen Nachschlag: Am 21. August veranstaltet er ein Open-Air-Konzert am Musikpavillion im Hamburger Park Planten un Blomen mit dem Rapper CR7Z als Hauptattraktion.

Maximilian Spohr organisiert das Festival zusammen mit seiner Frau – also ganz ohne das sonst übliche Team. Sein Festival bekommt auch keine Fördergelder – „ich bin leider autark“, sagt er dazu. Mit einem smarten Kulturmangement im Rücken hätte er sicher Chancen, Fördergelder zu bekommen – sei es von den kulturellen Förderanstalten oder von politischen Stiftungen. Aber er sieht sein Engagement als „reine Liebhaberei“.

Spohrs Verständnis von Hip-Hop unterscheidet sich radikal von den gängigen Prahlereien mit teuren Autos und kalkulierten Tabuverletzungen

Spohr hat selber als Filmemacher gearbeitet und mit „Thirsty Hip Hop Vancouver Retro“ ein Porträt der Musikszene der kanadischen Westküste gedreht. Sein größter Erfolg war im Jahr 2005 der Dokumentarfilm „Ein Auto für eine Mark – Das Phänomen Trabant“­, der damals vom ZDF gekauft und in vielen Ländern gezeigt wurde. Doch Spohr­ merkte bald, dass er von seiner Arbeit als Filmemacher nicht leben können würde, und so machte er eine Ausbildung als Krankenpfleger. Mit diesem Brotjob kann er nun seine Arbeit als Festivalorganisator finanzieren.

Und die Kosten sind überschaubar, denn die internationale Hip-Hop-Gemeinde­ unterstützt Spohr, wie die vielen Grußadressen auf seiner Homepage belegen. Die Filme werden ihm kostenlos zur Verfügung gestellt – auch „Equal Standard“, der außerhalb der USA noch nirgends gezeigt wurde.

Ein Beispiel dafür, wie ansteckend Spohrs Begeisterung sein kann, ist die Geschichte davon, wie er zu seiner Homepage kam. Der Name „Golden Sneakers“ ist ihm selber eingefallen, und auch das Emblem mit dem Paar goldenen Turnschuhen hat er selbst entworfen. Aber es gab schon eine „Golden Sneaker“-Homepage, die von einer Frau in den USA betrieben wurde, die darauf Blogs über ihre Katze, den „goldenen Schleicher“ veröffentlichte. Nach einem Ferngespräch gab sie die Homepage kostenlos an Maximilian Spohr ab.

Fr, 25. 6. bis So, 27. 6., https://www.goldensneakers-hiphopfilmfestival.com

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