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Nachhaltige Handarbeit

Möbel wie Sofas oder Sessel gibt es mittlerweile verhältnismäßig günstig bei Ikea und Co zu kaufen, doch langlebig sind sie selten: Nachhaltig ist, wenn man die plattgesessenen oder abgewetzten Möbel zur Polsterei bringt. Dort erhalten sie eine neue Polsterung und Stoffbezüge. Das ist zwar nicht günstig, aber verlängert das Produktleben um Jahre und Jahrzehnte

Von André Zuschlag

Ohne die kleine rote Zange könne sie nicht arbeiten, sagt Kira Mehlhorn. „Dann müssten wir den Betrieb einstellen“, sagt sie lachend. Denn in ihrer Polsterei ist die kleine Zange eines der ersten Werkzeuge, das gebraucht wird. Und deren Schneiden dürfen nicht zu scharf sein, um bei der Aufbereitung ausgesessener Sofas, Stühle und Sessel zunächst die Tackernadeln und Nägel aus dem Holz zu ziehen, an denen die alte Polsterung und die Bezüge zu Beginn der Reparatur fixiert sind.

Polstern ist ein uraltes Handwerk, doch nachdem es wegen Massenfertigung und Billigproduktionen lange Zeit immer seltener wurde, dass Menschen ihre Möbel reparieren ließen, hat es angesichts der Bedeutung von Nachhaltigkeit bei Konsumprodukten wieder einen Aufschwung erlebt – in der Polsterei von Kira Mehlhorn in Uetersen vor den Toren Hamburgs lässt sich das besichtigen: In der einen Ecke steht ein Ecksofa mit weißem Lederbezug, daneben einige Küchenstühle, deren Rückenlehnen zwar feine Verzierungen haben, deren abgewetzte Sitzflächen aber einen neuen Bezug benötigen.

In nächsten Ecke steht ein kleines Sofagestell, das bereits die alte Polsterung verloren hat. Und in der Mitte des Raumes sind schon ein weiteres Sofa und ein Sessel aufgebockt, deren Bezüge als Nächstes abgetrennt werden sollen. Einige Hundert Möbel sind es im Jahr, die Mehlhorn, zusammen mit ihrem Mann, im kleinen Betrieb wieder fit für die nächsten Jahre und Jahrzehnte macht.

Neben der Zange sind der Drucklufttacker und die Nähmaschine die beiden wichtigsten Werkzeuge beim Polstern. „Eigentlich braucht es dafür also gar nicht viel“, sagt Mehlhorn. Am Anfang des Arbeitsprozesses steht immer zunächst das Abtrennen der alten Polsterung vom Holz. Die unterste Ebene der Polsterung sind üblicherweise Gurte, die kreuzweise gespannt und am Holz festgetackert oder genagelt werden.

Sie zeigt darauf beim Sofa, das in der Mitte der Werkstatt steht. Der Bezug und die Schaumstoffpolster sind schon abgetrennt, die alten Gurte nun sichtbar: „Das hier zieht dann immer weiter Probleme nach sich“, sagt Mehlhorn. Zwischen den Gurten sind einige Zentimeter Abstand, es wurde eine Gurtreihe bei der ursprünglichen Produktion gespart. „Darunter leidet die Qualität der Polsterung, da mit jeder Gurtreihe weniger die Stabilität sinkt“, sagt Mehlhorn. Bestenfalls ist zwischen den Gurten nur wenige Millimeter Luft.

Aufpolstern selbstgemacht

Mit etwas handwerklichem Geschick lassen sich manche Möbel auch selbst wieder aufpolstern:

Anleitungen für das Aufpolstern von Sitzmöbeln gibt es bei Youtube. Den klassischen Workshop bieten viele Volkshochschulen und manche Polstereien an.

Viele Werkzeuge braucht es dafür nicht: Notwendig sind Drucklufttacker, Hammer und Zange sowie eine Nähmaschine.

Die passenden Materialien – insbesondere Schaumstoffe, Spanngurte und Bezugsstoffe – gibt es in Stoffläden oder Polstereien, aber auch online, etwa auf www.polstereibedarf-online.de.

Dass bei der Produktion gepfuscht wurde, sieht Mehlhorn regelmäßig: Es sind nicht nur teure Antikmöbel, die vorbeigebracht werden.

Statt des Innenlebens ist für Kun­d:in­nen natürlich besonders der Bezug von großer Bedeutung. Im rund vier Meter breiten Regal stehen bei Mehlhorn die dicken Ordner mit unterschiedlichen Farbtönen, Materialien und Mustern. „Mehr als 10.000 Stoffe werden das wohl sein“, sagt Mehlhorn. Seide, Leder, feste oder feine Baumwolle und noch viele Stoffe mehr hat sie als Proben vorrätig. Bevor sie den Auftrag der Kun­d:in­nen annimmt, berät sie sie bei der Stoffauswahl. „Wenn ich die Möbel sehe, weiß ich schon in etwa, welche Stoffe für den Bezug infrage kommen“, sagt Mehlhorn. Den ausgewählten Stoff muss sie am Ende passgenau zusammennähen, damit der Bezug auch richtig auf der neuen Polsterung sitzt.

Bei der Auswahl der Bezugsstoffe sollten Kun­d:in­nen auch immer darauf achten, wie stark ihr Möbelstück beansprucht wird: „Bei intensiver Nutzung wird etwa ein feiner weißer Stoff schnell grau“, sagt Mehlhorn – die Enttäuschung ist dann vorprogrammiert. Besser also gleich einen dunkleren Stoff auswählen.

Günstig ist das Aufpolstern von Möbeln natürlich nicht. Die Kosten zur Polsterung des Einlegesitzkissens eines Stuhl gehen bei rund 75 Euro los – und zusätzlich noch die Kosten für den Stoff. Allein die Arbeit am Sofa kann dann schon zwölf bis 14 Stunden benötigen – die Beratung, Abholung, Bestellung der gewünschten Stoffe sind da noch nicht mitgerechnet. Der Kunde des Sofas, das in der Ecke steht, das bereits die alte Polsterung verloren hat und bald einen neuen feingrauen Bezug bekommt, wird am Ende rund 800 Euro bezahlen.

Kira Mehlhorn, Polsterin

Andererseits: Je nachdem, wie intensiv die Möbel genutzt werden, ist dann einige Jahre Ruhe. Weil mittlerweile kein Rosshaar oder ähnliche schnell verschlissene Materialien bei der Polsterung, sondern Schaumstoffe verwendet werden, können es mittlerweile auch einige Jahrzehnte sein. „Alles besser war früher nicht“, sagt Mehlhorn dazu. „Hätte es schon früher Schaumstoff gegeben, hätte wohl niemand Rosshaar genutzt.“ Der zeitliche und körperliche Aufwand machen das Rosshaar zu einem sehr anspruchsvoll zu verarbeitenden Polsterwerkstoff, der nur noch selten verwendet wird.

Trotz der vielen Jahre, die Mehlhorn nun schon alte Möbel wieder aufbereitet – seit 2004 ist sie selbstständig –, gibt es doch immer noch kleine Überraschungen unter den alten Bezügen. Einmal fand sie eine wertvolle Taschenuhr. „Das Ehepaar hatte sie schon verzweifelt seit langer Zeit gesucht“, sagt Mehlhorn. Spielzeuge und Kleingeld sind auch häufig in der alten Polsterung zu finden. Ein anderes Mal schien eine Mäusefamilie wohl eine Zeit lang in der Polsterung eines Sofas hausiert zu haben.

Bei anderen Überraschungen hingegen ist das Tischlerhandwerk gefragt: Wenn das Holz beschädigt ist, auf dem die Polsterung fixiert werden soll, muss es zunächst instandgesetzt werden. Bestenfalls lassen sich Risse im Holz noch zuspachteln. Manchmal jedoch muss ein Teil ersetzt werden. „Aber aufgeben musste ich bislang noch bei keinem Möbelstück“, sagt Mehlhorn.

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