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Musik hören, nicht stören

Das Festival „Klangteppich“ widmet sich heute Musik aus dem Iran in der Diaspora und lässt traditionelle Elemente auf neue Interpretationen stoßen

Von Robert Mießner

„Die Musik ist enorm komplex, ohne dass sie danach klingt“, meint Laura Winkler nach einem ausgedehnten Probentag. „Krude Taktarten“ hat die Jazzsängerin und Komponistin in den letzten Wochen gehört, sie sagt aber auch: „Da ist nichts Konstruiertes, der Sound fließt.“ Winkler spricht über Lieder der drei iranischen Sängerinnen Hayedeh, Marzieh und Ramesh. Wer sie noch nie gehört hat, sollte das heute Abend ändern, wenn Laura Winkler und der Rangarang Chor diese Songs in Neuarrangements auf dem Festival „Klangteppich. Musik der iranischen Diaspora“ präsentieren, die Konzerte werden im Kreuzberger Theater Aufbau aufgezeichnet.

„Klangteppich“ wird von der Radiojournalistin und taz-Autorin Franziska Buhre kuratiert und findet, abgesehen von einer virusbedingten Unterbrechung im vorigen Jahr, seit 2018 statt. Bis jetzt war auf dem „Klangteppich“ zu hören, wie traditionelle Flöten und Stachelgeigen moderne Elektronik trafen, wie zeitgenössische Interpretationen persischer Lyrik klingen und was es mit improvisierter Musik jenseits von Europa auf sich hat. Das kann bestrickend klingen. Nach Jazz und Elektroakustik stehen 2021 A-cappella-Versionen iranischer Hits auf dem Programm.

Laura Winkler erzählt, dass ihre aus dem Iran gebürtigen Chormitglieder den einen oder anderen Wiedererkennungseffekt erlebten und ihr wiederum berichteten, wie sie diese Lieder etwa zu Neujahr singen würden. Die Auswahl ist groß: Hayedeh, geboren als Masoumeh Dadehbala, hat ihre Debütsingle 1969 veröffentlicht und über zwei Jahrzehnte persische Popmusik und persische Klassik gesungen. Marzieh, geboren als Khadijeh Ashraf o-Sadat Mortezaie, debütierte in den 1940ern bei Radio Teheran und als Opernsängerin. Ramesh, Geburtsname Azar Mohebbi Tehrani und die jüngste der Sängerinnen, ist in den Sechzigern und Siebzigern mit iranischem Funk und Beat bekannt geworden.

Alle drei sind in Teheran geboren, aber in der Fremde gestorben: in San Francisco, Paris und Los Angeles. Während der Islamischen Revolution verließen Hayedeh und Ramesh das Land. Marzieh ging in die innere Emigration und 1994 nach Frankreich. An ihr zeigt sich, dass gute Musik und problematische Politik einander nicht ausschließen: Marzieh stellte ihre Stimme in den Dienst der Volksmudschaheddin, einer Organisation, die als militante linksislamische Opposition gegen den Schah begonnen hatte und nach Angaben von Exmitgliedern wie eine Sekte operiert. Der Guardian-Nachruf auf Marzieh berichtet, dass sie in einem irakischen Camp der Mudschaheddin gelebt und ihre Bühne auf einem Panzer gefunden hatte.

Klangteppich

Klangteppich, Festival für iranische Musik in der Diaspora III:

2. Juni, 18 bis 19.30 Uhr Livestream, Rangarang Chor im Diskurs, Veranstaltung auf Deutsch

20 Uhr: Premiere Konzertvideos – Klangteppich III mit Hadi Bastani und Yalda Zamani

mehr unter www.klangteppich.berlin/

Gänzlich andere Musik gibt es bei Hadi Bastani zu hören. Der Klangkünstler, Komponist und Anthropologe ist Artist in Residence bei „Klangteppich“. Im Juni 2020 hat er auf dem Londoner Label „Flaming P­ines“ das Doppelalbum „Emergence“ veröffentlicht: Fünf atmosphärisch verhangene Instrumentals, Soundtracks eines unklaren Transits. Bastani, den es aus Teheran an die Queen’s University Belfast geführt hat, beschreibt „Emergence“ als Suche, den Raum, den er verlassen habe, vermessen zu können. Die Raum-Metapher ist in dieser suggestiven Musik wichtig; Bastani stimmt der Bemerkung, in seiner Musik ließe sich umherschweifen, während von überall Stimmen und Sounds auftauchen, freudig zu.

Für „Klangteppich“ hat er gemeinsam mit der Komponistin, Dirigentin und Musikerin Yalda Zamani eine Performance erarbeitet, die er vorab so skizziert: Er wird einen Modular-Synthesizer verwenden, einige seiner Komponenten sind Marke Eigenbau, andere käuflich erworben. Hinzu kommt Software, so die von Zamani verwendete Entwicklungsumgebung SuperCollider. Liest sich technisch, könnte aber spannend werden. „Wir werden eine Palette synthetischer Sounds, live manipulierter Audiodateien und Fieldrecordings spielen“, sagt er. Auf jeden Fall gibt es Hadi Bastani auch zum Lesen. Auf der in der taz bereits vorgestellten Plattform Norient gibt es eine Seite mit mehreren Texten zum „Klangteppich“-Kosmos. Im Interview mit Franziska Buhre erzählt Bastani über die mehr als 400 Kassetten seines Bruders, Hard Rock und Heavy Metal, mit denen er seine Liebe zur Geräuschmusik entdeckte. Bastani berichtet, wie ernst er das Hören nahm. Er arbeite, ließ er für den Fall verlauten, dass ihn wer während seiner Audiozeiten stören wollte. Bastani erzählt weiter, wie er mit zwei Freunden ein Postpunk-Album aufgenommen hatte, das wahrscheinlich nie veröffentlicht wird. Hadi Bastani hatte Strophe-Refrain-Musik über und beschäftigte sich stattdessen mit experimenteller Musik. Wie das im Iran geht und welche Geschichte es hat, steht in Bastanis Magisterarbeit, die auf seiner Website abgerufen werden kann. Prädikat „unbedingt empfehlenswert“.

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