Braunkohle teurer Klimakiller Nummer Eins

Das Märchen vom subventionsfreiem Energieträger hält sich hartnäckig – dabei fließt jährlich rund eine Milliarde Euro in die Braunkohle. Deren Verstromung trägt massiv zur Klimakatastrophe bei: Uralt-Kraftwerke laufen noch immer

DÜSSELDORF taz ■ Offiziell fließen keinerlei Subventionen in das niederrheinische Braunkohlentagerevier. Indirekt wird die Zerstörung ganzer Landstriche aber massiv staatlich unterstützt: Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA) fließen jährlich mehr als eine Milliarde Euro in die Braunkohle.

Im Gegensatz zu anderen Energieträgern wie Mineralöl oder dem umweltfreundlicheren Erdgas wird auf die Braunkohlenförderung weder Mehrwert- noch Mineralölsteuer fällig. Selbst die Absenkung des Grundwasserspiegels in den riesigen Tagebauen um mehrere hundert Meter kostet den Förderer RWE Power – nichts. Während jeder Haushalt den Wassercent zahlt, bleibt die Tochter des Essener Energieriesen vom Wasserentnahmeentgelt befreit. Auch die Verschmutzung der Umwelt, die Belastung der Anwohner etwa durch erhöhte Feinstaubemissionen schlägt nicht durch. „Unter Einbeziehung der Umweltschäden kostet die Braunkohle sogar mehr als vier Milliarden jährlich“, klagt Reiner Priggen, energiepolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion.

Kein Wunder: Die Umweltschäden sind immens. Auf das Konto der vier niederrheinischen Braunkohlenkraftwerke Niederaußem, Frimmersdorf, Neurath und Weisweiler gehen elf Prozent aller Kohlendioxid-Emissionen bundesweit. Zwar hatte RWE 1994 im Streit um den Tagebau Garzweiler II eine Modernisierung der Kraftwerke zugesichert, doch selbst Neubauten erreichten nicht den Stand der Technik, kritisiert der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). „Das Kraftwerkserneuerungsprogramm ist ein Witz, bringt ökologisch nur Nachteile“, sagt BUND-Sprecher Dirk Jansen. Statt auf der Kohlevergasungstechnik basierende Anlagen baue RWE aus Kostengründen nur so genannte „Kraftwerke mit optimierter Anlagetechnik“. Die aber erreichen nur Wirkungsgrade von 43 Prozent – ursprünglich wurden 53 Prozent angestrebt.

„Trotz der Neubauten in Niederaußem, trotz der Baustelle in Neurath wurden bisher keine Altanlagen stillgelegt“, klagt BUND-Sprecher Jansen. „Die Leistung der Braunkohlekraftwerke wurde um zehn Prozent erhöht.“ So wird selbst der Neubau des Kraftwerks Niederaußem, das ab 2006 in den Regelbetrieb gehen soll, jährlich 28,9 Millionen Tonnen des Klimakillers Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen. „Insgesamt erzeugen allein die niederheinischen Braunkohlekraftwerke Emissionen von über 500 Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich“, sagt Jansen.

Die Umweltschützer setzen jetzt auf die neue Landesregierung von CDU und FDP. Während sich etwa SPD-Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement immer wieder für die angeblich subventionsfreie Braunkohle stark macht, werden die niederrheinischen Tagebaue im schwarz-gelben Koalitionsvertrag mit keinem Wort erwähnt. Auch CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ging in seiner Regierungserklärung am Mittwoch nicht auf die Braunkohle ein. „Das könnte bedeuten, dass sich die neue Landesregierung noch nicht festgelegt hat“, hofft Jansen. Auch aus dem nun für Energiepolitik zuständigen Ressort von Landeswirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) war gestern keine Stellungnahme zu erhalten.

Für eine braunkohlekritische Linie der Landesregierung aber müsste der kleine Koalitionspartner FDP einknicken. Deren Fraktionschef und Energieexperte Gerhard Papke schwärmte noch im Oktober im Landtag von „Milliardeninvestitionen in neue Braunkohlekraftwerke“ – Regierungschef Rüttgers scheint die Braunkohle nicht umsonst bei den Koalitionsverhandlungen ausgeklammert zu haben.

ANDREAS WYPUTTA