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Prekärer Job, tiefe Einblicke

Wer ÄrztInnen fährt, erfährt dabei viel über Krankheitsdetails

Von Claudius Prößer

Datenschutzlecks lauern nicht nur in Apps und Webseiten: auch auf analogem Weg kann ein potenziell problematischer Zugang zu persönlichen und geschützten Informationen stattfinden. Im Fall der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin gibt es Vorwürfe, sie lege bei der Auswahl ihres Corona-Fahrdienstes nicht genug Wert auf größtmögliche Diskretion.

Es geht um den ärztlichen Bereitschaftsdienst der KV, der sich im Zusammenhang mit Corona-Verdachtsfällen deutlich ausgeweitet hat. Knapp 80 FahrerInnen eines Subunternehmens der Stölting Service Group bringen Ärztinnen und Ärzte zu PatientInnen, die die Telefonnummer 116117 gewählt haben, weil sie mit verdächtigen Symptomen nicht selbst in eine Praxis gehen wollen oder können, natürlich auch nachts oder am Wochenende.

Ein Angestellter des Fahrdienstes, der anonym bleiben will, kritisiert gegenüber der taz, der Job sei höchst prekär – und das passe nicht mit der Tatsache zusammen, dass das Personal hinterm Lenkrad so einiges über die Menschen mitbekomme, zu denen sie die Me­di­zi­ne­rIn­nen bringen. „Ich erfahre von den Patienten Name, Adresse, oft sämtliche Symptome und die eingeleitete Behandlung. Der Mensch, um den es da geht, könnte ja auch mein Nachbar sein“, sagt der Fahrer.

Prekär sei das Arbeitsverhältnis, weil das Fahrdienstunternehmen lediglich Mindestlohn zahle, die Angestellten sich aber regelmäßig gegen Zumutungen wehren müssten – wie die Ausdehnung der Arbeitszeit in die vorgeschriebenen Pausen oder Erwartungen der Ärz­tIn­nen, dass notwendige Tätigkeiten – wie die Kontrolle von Auto, Schutzkleidung oder Equipment – in der Freizeit vor Arbeitsantritt erbracht würden. „Manche Ärzte machen da richtig Stress“, berichtet der Fahrer, dabei würden diese mit bis zu 140 Euro Honorar pro Stunde im Vergleich zu den Chauf­feu­rIn­nen fürstlich entlohnt.

Der taz-Informant weiß auch, dass die KV per Ausschreibung zum 1. August einen neuen Dienstleister gesucht und sich schon entschieden hat: „Offiziell hat das noch niemand von den Fahrern mitgeteilt bekommen. Keiner weiß, ob er übernommen wird“, sagt er. Die KV bestätigt den Wechsel gegenüber der taz. Den künftigen Dienstleister möchte die Organisation aber „aktuell nicht nennen“.

Die KV räumt ein, dass „die Fah­re­rIn­nen im Rahmen ihrer Tätigkeit Kenntnis über schützenswerte Sozialdaten der Pa­ti­en­tIn­nen erhalten“. Bei ihrer Einstellung müssten sie eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. Ob prekäre Arbeitsbedingungen dazu führen könnten, dass Fah­re­rIn­nen unzuverlässig mit Pa­ti­en­tIn­nen­da­ten hantieren – dazu äußerte sich die KV nicht.

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