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Der letzte Romantiker

Sturmtief Eugen dreht seelenmächtig auf

Sturmfrisurfoto: dpa

Eugen, Eugen! Dein zweiter Name ist „Sturmtief“, wie wir aus den zahllosen Wetterberichten der letzten Tage wissen. Demnach hast du, Sturmtief Eugen, die wirbelige kalte Luft aus dem Norden gebracht und zum Gewittersturm verdichtet. Apropos, Dichtung: Als du uns am Mittwoch einen herabgerissenen Ast beinahe um die Ohren gehauen hast, mussten wir an den bizarren Tod des bedauernswerten Dichters Ödön von Horváth denken, der am 1. Juni 1938 auf den Champs-Élysées von einem herabstürzenden Ast erschlagen wurde. Zuvor hatte dem von Vorahnungen geplagten Sturmopfer der Berliner Theaterkritiker Alfred Kerr nach einer Premiere einen „Orkan des – nicht nur äußeren – Erfolgs“ bescheinigt. Apropos Bescheinigung: Die stellen wir dir, Eugen, hiermit gern aus. Du bist für einen Maisturm recht mächtig und damit der letzte Romantiker – nach dem alten germanistischen Merksatz für die Romantik: „Draußen der Sturm, drinnen der Aufruhr der Seele“. Immer wenn es im Roman außen stürmt, kocht innen die empfindsame Seele. So, Eugen, jetzt ist es gut, du kannst dich beruhigen und den harschen Wind langsam einschlafen lassen.

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