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Film im Fenster

Besser als nichts: Das Bremer Kommunalkino City 46 veranstaltet in seinem Eingangsbereich „Stehplatzkino“

Von Wilfried Hippen

Gibt es zurzeit, trotz Ausgangssperren und sozialem Distanzhalten, noch Menschen, die in den Innenstädten spazieren gehen? Die mit Muße durch die Straßen flanieren und „windowshoppen“? Viele werden es nicht sein, aber eben diese Menschen sehen die Ma­che­r*in­nen des Bremer City 46 zurzeit als ihr einziges Publikum an. So wie alle anderen Häuser wird auch das Bremer Kommunalkino coronabedingt noch eine längere Zeit lang geschlossen bleiben, deshalb haben sie sich etwas ausgedacht: Seit einer Woche läuft dort ein „Stehplatzkino“.

Anders als derzeit jede „öffentliche“ Veranstaltung muss diese Innovation nicht einmal vom Ordnungsamt genehmigt werden, denn das Publikum betritt ja keinen geschlossenen Raum, sondern bleibt im Freien. Im Schaufenster des Kino-Eingangbereichs ist eine einen Meter lange, 80 Zentimeter hohe Leinwand installiert, darauf werden als Rückprojektion Filme gezeigt.

Vertov in Endlosschleife

Genauer: nur ein Film. Nun schon in der zweiten Woche läuft in Endlosschleife Dziga Vertovs „Der Mann mit der Kamera“. Das hat mehrere Gründe: Nicht nur ist der russische Avantgardefilm aus dem Jahr 1929 ein Meilenstein der Filmkunst. Gezeigt wird er nun auch, weil solche Filme aus der früheren Sowjetunion inzwischen rechtefrei sind, also kostenlos aufgeführt werden können. Und es ist ein Stummfilm – beschallen wollen und dürfen die Kinoleute ihren Eingangsbereich nicht. Und schließlich: Vertov erzählt in dem Experimentalfilm keine Geschichte mit Anfang oder Ende im traditionellen Sinne – weshalb er sich gut dafür eignet, in Häppchen angesehen zu werden.

Denn kaum jemand wird sich wohl für anderthalb Stunden, eine klassische Spielfilmlänge also, vor einem Schaufenster die Beine in den sprichwörtlichen Bauch stehen. Dieses „Stehplatzkino“ befriedigt die Schaulust eher nur für ein paar Minuten. Die Leute vom City 46 verstehen das Projekt denn auch nicht als Ersatz fürs gerade nicht mögliche Kinoerlebnis – sondern als kleine Erinnerung daran, dass es das Kino als öffentlichen Raum überhaupt noch gibt. „Es ist eher niedlich, aber es bewegt sich etwas auf der Leinwand“: Das schrieb Ko-Geschäftsführer Holger Tepe in einer Mitteilung an die Mitglieder des City-46-Unterstützervereins.

Abgesehen vom Stromverbrauch kostet das Projekt nichts, und vorerst sollen nur Filme gezeigt werden, für die keine Lizenzgebühren anfallen. Ein Problem könnte entstehen, wenn das „Stehplatzkino“ zu erfolgreich wird: Sollten sich nämlich allzu viele Ci­ne­as­t*in­nen vor dem Fenster ansammeln, könnte es doch wieder Ärger mit der Behörde geben: der fehlende Abstand und so. In diesem Sinne: Lieber doch nicht zu viel Werbung machen!

Stehplatzkino: täglich 12–22 Uhr, City 46, Birkenstraße 1, Bremen

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