SONJA VOGEL LEUCHTEN DER MENSCHHEIT : Der ganz neue Abtreibungs- neid
Der Mann des 21. Jahrhunderts ist ein Weichei. Die Hiobsbotschaft wurde Anfang des Jahres von Nina Pauer in der Zeit übermittelt. In ihr Lamento über den willenlos dem Wunschbild der Frau folgenden Schmerzensmann stimmten viele ein. Gejammert wird seither in Männerratgebern, maskulinistischen Pamphleten und Essays.
Keine Frage, es war mal einfacher, Mann zu sein. Alles muss er heute teilen oder verteidigen. Nur das Private, die Kinder, die Haus- und Emotionsarbeit, bleibt hartnäckig Frauensache. Die Literaturflut zeigt – Männer kämpfen um ihren Platz in der Familie. Alle Autoren beteuern zwar, den wortkargen Machos und distanzierten Vätern nicht hinterherzutrauern. Den Frauen können sie dennoch nicht verzeihen.
Denn zuerst nehmen sie dem Mann die Jobs weg, dann auch noch die Kinder. Der postmoderne Sündenfall. Verrückt. Als hätte die Frauenbewegung nicht jahrzehntelange für eine gleichberechtigte Elternschaft gestritten, als würde es die Debatte um das Betreuungsgeld nicht geben. Trotzdem, die Frauen wollten alles für sich behalten. Die Geburt. Das Stillen. Die unzähligen Tage mit dem Kind. Das Wissen um die Vaterschaft. Die Abtreibung.
Bitte was? Richtig gelesen. Ralf Bönt („Das entehrte Geschlecht. Ein notwendiges Manifest für den Mann“, Pantheon 2012) erzählt nun, wie Männer bei der Abtreibung ausgegrenzt werden. Die feministische Psychologie sprach einst vom Gebärneid. Und nun? Der neue Mann hat Abtreibungsneid.
Und mehr als das. Er hat Angst. „Ich glaube auch nicht, dass Frauen schon aus ihrem historischen Wutbad gestiegen sind und sich abgetrocknet und angezogen haben“, schreibt Bönt. Aber keine Angst, ihr Heulsusen. Wenn die Mutter euch wegen jahrhundertelanger Vorherrschaft übers Knie legt, hat sie sich vorher bestimmt etwas übergeworfen.
■ Die Autorin ist ständige Mitarbeiterin der taz-Kulturredaktion