„Alles für alle geht nicht“

Bankenanalyst Christian Schindler: Versandhandel muss sich stärker spezialisieren und Internetverkauf als Chance nutzen. Quelle und Neckermann sind zu unübersichtlich

taz: Herr Schindler, KarstadtQuelle hat ein Riesenproblem mit dem Versandhandel. Warum kaufen die Leute immer weniger per Katalog?

Christian Schindler: Weil sie in den Geschäften aktuellere und billigere Angebote bekommen. Es sind große Ketten auf dem Markt, die es vor 20 Jahren noch nicht gab. H&M ist billig und bringt alle zwei Wochen eine neue Kollektion und Sonderangebote heraus. Auch bei den großen Elektronikhändlern fallen laufend die Preise. Ein Versandhändler legt sich mit seinem Katalog für ein halbes Jahr fest und kann nicht so schnell reagieren.

Wissen die Versandhändler nicht, was ihre Kunden wollen?

Sie haben zu viele verschiedene Kunden. Die Unternehmen versuchen alles an alle zu verkaufen. Es gibt dicke Bücher mit unglaublich vielen Produkten. Das sorgt für einen riesigen Verwaltungsaufwand und hohe Kosten. Versandhändler, die sich auf bestimmte Produkte oder Kundengruppen spezialisiert haben, haben es da leichter.

Wenn alle Versandhändler das gleiche Problem haben – warum sorgen dann vor allem Neckermann und Quelle für negative Schlagzeilen?

Weil KarstadtQuelle an der Börse ist und deswegen viel offener über seine Probleme reden muss als andere. Außerdem scheint die Informationspolitik bei anderen Konzernen besser zu funktionieren.

Es geht um Image-Probleme?

Nicht nur. Bei Neckermann und Quelle waren die Entscheidungswege bisher zu lang. Außerdem gab es zu viele Produkte, die sich schlecht verkauft haben. Da dürfte es schwer gewesen sein, den Überblick zu behalten.

Das heißt, Neckermann und Quelle müssen ihre großen Kataloge abschaffen?

Sie müssen weg vom Warenhausprinzip. Stattdessen sollten mehr Kataloge für bestimmte Kundengruppen in kürzeren Abständen erscheinen – vier- bis sechsmal im Jahr, dafür dünner. Quelle hat ja schon damit angefangen und bietet einen Katalog für Mode und einen für Technik an. Diese Entwicklung wird weitergehen.

Macht das Internet den Katalog nicht völlig überflüssig?

Doch. Der Internethandel macht bereits heute in Deutschland rund 25 Prozent aus. Und der Markt wird wachsen.

Werden reine Online-Shops Quelle & Co. verdrängen?

Nein, beide können im Internet Kunden gewinnen. Das Leben für die Versandhändler wird zwar nicht leichter. Aber noch haben sie die Möglichkeit, sich darauf einzustellen.

INTERVIEW: STEPHAN KOSCH